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Diadem

Von

Die Bogenlampen krönen Sonnenuntergänge,
Ihr lila Scheinen wird den Abend überleben.
Sie geistern schwebend über lärmendem Gedränge.
Es muß verglaste Früchte andrer Welten geben!

Beschwichtigt nicht ihr Lichtgeträufel das Getöse?
Ich kann das Wesen dieser Lampen schwer vernehmen.
Die Sterne scheinen klug, der Mond wird gerne böse.
Warum erblaßt du unter Sternendiademen?

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Gedicht: Diadem von Theodor Däubler

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Diadem“ von Theodor Däubler verbindet urbane Eindrücke mit kosmischen Bildern und erschafft so eine dichte, fast traumhafte Atmosphäre zwischen Stadt, Licht und innerer Verstörung. Im Zentrum steht die Beobachtung der Bogenlampen in der abendlichen Stadt – künstliche Lichter, die wie „Diademe“ über dem Gedränge thronen und zugleich eine surreale, entrückte Stimmung erzeugen.

Die erste Strophe kontrastiert die untergehende Sonne mit dem künstlichen Licht der Bogenlampen. Diese scheinen den Sonnenuntergang zu „krönen“, als wollten sie seine Würde übernehmen. Ihr „lila Scheinen“ wirkt unnatürlich und dauerhaft – sie „überleben“ den Abend, ersetzen das natürliche Licht und verleihen dem urbanen Raum eine eigene Ästhetik. In der schwebenden Bewegung über dem „lärmenden Gedränge“ wirken die Lampen geisterhaft und entrückt, als wären sie Relikte einer anderen, möglicherweise außerweltlichen Ordnung – angedeutet durch das Bild „verglaste Früchte andrer Welten“.

In der zweiten Strophe stellt das lyrische Ich Fragen, die die Unsicherheit und das Unverständnis gegenüber dieser Lichtwelt spiegeln. Das „Lichtgeträufel“ könnte das Getöse der Stadt beschwichtigen, aber seine Wirkung bleibt rätselhaft. Die Wahrnehmung der Lampen ist unklar, ihr „Wesen“ bleibt schwer fassbar – ein Ausdruck für die Entfremdung in der modernen, künstlich beleuchteten Welt.

Die letzten Verse weiten die Perspektive vom städtischen Licht hin zu den Himmelskörpern. Während die Sterne „klug“ erscheinen, wird der Mond als „gerne böse“ charakterisiert – ein anthropomorphes Bild, das den nächtlichen Kosmos mit emotionalen Bedeutungen auflädt. Die abschließende Frage „Warum erblaßt du unter Sternendiademen?“ richtet sich möglicherweise an ein Gegenüber, das inmitten dieser übermächtigen Licht- und Geräuschwelt seine Lebendigkeit oder Identität verliert – ein Bild für emotionale Überforderung oder Entfremdung.

„Diadem“ ist ein impressionistisches Gedicht, das in wenigen Versen eine vielschichtige Stimmung zwischen Staunen, Überreizung und metaphysischer Fragwürdigkeit aufbaut. Däubler nutzt das Licht als zentrales Motiv für Schönheit, Künstlichkeit und eine existenzielle Verunsicherung im urbanen Raum.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.