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Stille Insel (Bretagne)

Von

Glocken über die Fluren  Hör ich vom Lande wehn  Und kann schon die Konturen  Der runden Türme nicht mehr sehn.
Die Nacht, das Meer, zwei blaue Bänder  Durchstickt mit Sternengold,  Haben die Ränder  Der Insel in ihre Falten gerollt.  Alles wird Ferne und  Sinkendes Schweigen.  Wortlos neigen  Die Winde sich nahe an meinen Mund.
Weit und wie ohne Wiederkehr  Scheint dies alles, das mir entgleitet,  Die braunen Hügel, das blinkende Meer,  Die Bäume, die winkend im Hafen stehn,  Die Glocken, die über die Wasser wehn.  Und ich bin schon bereitet  Ins Dunkel, das sich drohend verbreitet,  Mit ihnen zu gehn  Abendallein  Mit meinem lastenden Einsamsein.
Da weht von den späten  Gehöften zwischen den Hügeln, die  Mit leisem Schritt in den Abend treten,  Noch eine schüchterne Melodie.
Und süß beklommen höre ich, wie  Kinder zu Gott in das Dunkel hinein  Um Schlaf und gütige Träume beten.

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Gedicht: Stille Insel (Bretagne) von Stefan Zweig

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Stille Insel (Bretagne)“ von Stefan Zweig entwirft eine melancholische Szene der Dämmerung auf einer bretonischen Insel, in der die zunehmende Dunkelheit und die Weite des Meeres eine Atmosphäre der Einsamkeit und des Abschieds schaffen. Das lyrische Ich nimmt Abschied von der sichtbaren Welt, während es sich dem drohenden Dunkel zuwendet. Die einsetzende Nacht verschmilzt mit dem Meer, wobei die Sterne wie „Sternengold“ diese Verbindung schmücken, und das Festland sich entfernt, als würden seine Konturen langsam aufgelöst.

Die zentrale Metapher des Gedichts ist die Insel als Ort der Isolation. Die „Ränder“ der Insel werden von Nacht und Meer in ihre „Falten gerollt“, was die Abgeschiedenheit des Ortes und die damit verbundene emotionale Distanz des Sprechers widerspiegelt. Die Worte „alles wird Ferne“ und „sinkendes Schweigen“ verstärken diesen Eindruck der Entfremdung und des Verlusts. Das lyrische Ich scheint sich dem Abschied von der Welt und der Verlassenheit der eigenen Einsamkeit hinzugeben, bereit, „ins Dunkel, das sich drohend verbreitet“ zu gehen.

Die Stimmung des Gedichts wird durch die Verwendung von Bildern der Natur wie „braunen Hügeln“, „blinkendem Meer“ und „winkenden Bäumen“ erzeugt, die sich in der Dunkelheit auflösen. Diese Naturbilder kontrastieren mit dem Gefühl der Einsamkeit und des Verlusts, das das lyrische Ich empfindet. Gleichzeitig taucht in dieser melancholischen Szenerie eine zarte, hoffnungsvolle Note auf. Eine „schüchterne Melodie“ dringt aus den „späten Gehöften“ herüber, und Kinder beten um Schlaf und gute Träume. Diese musikalische Sequenz bietet einen Kontrapunkt zur vorherrschenden Melancholie und deutet auf eine mögliche Erlösung durch kindliche Unschuld und Glauben hin.

Die subtile Verwendung von Klängen, wie dem Wehen der Glocken und des Windes, verstärkt die Atmosphäre. Die Glocken, die über die Fluren „wehn“, und der Wind, der sich „nahe an meinen Mund“ neigt, schaffen ein Gefühl der Unmittelbarkeit und der Nähe zur Natur. Diese sensorischen Elemente tragen dazu bei, die emotionalen Tiefe des Gedichts zu vermitteln und die tiefe Verbundenheit des lyrischen Ichs mit der ihn umgebenden Landschaft zum Ausdruck zu bringen. Die Melodie der Kinder, die in das Dunkel beten, bietet einen Hoffnungsschimmer in der sonst von Einsamkeit geprägten Nacht.

Insgesamt ist „Stille Insel (Bretagne)“ ein Gedicht über Abschied, Einsamkeit und die Suche nach Trost. Es verbindet eindrucksvoll Bilder der Natur mit dem Gefühl der Isolation, um eine tiefe emotionale Resonanz zu erzeugen. Die subtile Wendung am Ende, mit dem Gebet der Kinder, verleiht dem Gedicht eine unerwartete Note der Hoffnung, die inmitten der Dunkelheit und des Abschieds existiert.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.