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Hexenreihen

Von

Wir lachen eures wahnes –
Geschlechter falschen spanes –
Ihr äugen blöd und blau
Seht nur den tag voll trug –
Die unsern nächtig glau
Erspähn den innern fug.

Euch ist die haut nur kund –
Wir wissen tausend namen
Von wind- und wolkenschub
Vom heer im wassergrund
Von tausend dunklen samen
Die finsternis vergrub.

Uns ist der tanz im krampfe –
In wülsten und gekrös
Sind uns die leiber schön.
Duft ist im moderdampfe.
Im wirbelnden getös
Vernehmen wir getön.

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Gedicht: Hexenreihen von Stefan George

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Hexenreihen“ von Stefan George gibt einer geheimnisvollen, unheimlichen Gemeinschaft eine Stimme, die sich von der gewöhnlichen Welt abgrenzt. Bereits in der ersten Strophe wird diese Gegenüberstellung deutlich: Die „Geschlechter falschen Spanes“ – also die normalen Menschen – werden als verblendet und oberflächlich dargestellt. Sie sehen nur den trügerischen Tag, während die „unsern“ mit nächtigem Blick die verborgene Ordnung („innern Fug“) erkennen. Dies weist auf eine geheime, tiefere Einsicht hin, die jenen vorbehalten bleibt, die sich außerhalb der bürgerlichen Welt bewegen.

Die zweite Strophe vertieft diesen Gegensatz. Während die gewöhnlichen Menschen nur die äußere Hülle wahrnehmen, kennen die Sprecher „tausend Namen“ für Naturkräfte wie Wind, Wolken oder das Wasserreich. Sie sind Vertraute des Verborgenen und Dunklen, denn sie wissen um die „tausend dunklen Samen“, die in der Finsternis verborgen liegen. Diese Bilder suggerieren magisches Wissen und eine Verbundenheit mit dem Geheimnisvollen, das der rationalen Welt verschlossen bleibt.

Die letzte Strophe steigert die düstere, ekstatische Atmosphäre. Die „Hexen“ – oder jene, die außerhalb der gewöhnlichen Ordnung stehen – finden Schönheit in verzerrten, unheimlichen Dingen: Der Tanz geschieht im „Krampfe“, in „Wülsten und Gekrös“ wird der Körper nicht als hässlich, sondern als schön empfunden. Sogar der „Moderdampf“ hat für sie einen betörenden Duft. Diese Umkehrung klassischer ästhetischer Vorstellungen zeigt eine Welt, die sich den Gesetzen von Harmonie und Reinheit widersetzt. Der abschließende Hinweis auf das „wirbelnde Getös“, in dem sie verborgene Klänge wahrnehmen, verstärkt das Bild eines ekstatischen, dunklen Wissens, das sich nur jenen erschließt, die bereit sind, sich vom Gewöhnlichen zu lösen. George erschafft hier eine mystische, fast dämonische Gegenwelt zur alltäglichen Wahrnehmung.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.