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Entführung

Von

Zieh mit mir, geliebtes kind,
In die wälder ferner kunde,
Und behalt als angebind
Nur mein lied in deinem munde.

Baden wir im sanften blau
Der mit duft umhüllten grenzen:
Werden unsre leiber glänzen,
Klarer scheinen als der tau.

In der luft sich silbern fein
Fäden uns zu schleiern spinnen,
Auf dem rasen bleichen linnen,
Zart wie schnee und sternenschein.

Unter bäumen um den see
Schweben wir vereint uns freuend,
Sachte singend, blumen streuend,
Weisse nelken, weissen klee.

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Gedicht: Entführung von Stefan George

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Entführung“ von Stefan George entwirft eine märchenhaft-entrückte Szenerie, in der das lyrische Ich ein „geliebtes Kind“ auffordert, mit ihm in eine andere, fast traumhafte Welt zu fliehen. Die Einladung zur Reise in die „Wälder ferner Kunde“ deutet auf eine Flucht aus der Realität in eine Sphäre der Poesie, der Schönheit und des Geheimnisvollen hin. Das einzige „Angebind“ – also Geschenk oder Mitbringsel – soll das Lied des lyrischen Ichs sein, was darauf hinweist, dass Sprache, Kunst oder Musik den Zugang zu dieser Welt bilden.

Die zweite Strophe verstärkt den Zauber der neuen Umgebung: Das Blau des Himmels oder Wassers umhüllt sanft, und die Körper des Paares erscheinen in diesem Licht „klarer als der Tau“. Diese Verklärung, die das Natürliche ins Überirdische hebt, zieht sich durch das ganze Gedicht. Die Natur scheint mit der Verwandlung mitzuwirken – silberne Fäden spinnen Schleier in der Luft, und selbst der Rasen wird mit einem zarten, fast himmlischen Stoff verglichen.

Die letzte Strophe vollendet die Vorstellung einer idealisierten, harmonischen Existenz: Das Paar schwebt gemeinsam, singend und Blumen streuend, am Ufer eines Sees. Die Wahl der Blumen – weiße Nelken und weißer Klee – verstärkt den Eindruck von Reinheit und Unschuld. Das Gedicht entführt den Leser in eine fast überirdische, zeitlose Welt, in der Schönheit, Musik und Natur in perfekter Harmonie verschmelzen. George erschafft hier eine poetische Flucht aus der Realität in ein entrücktes Reich, das zugleich verführerisch und unerreichbar erscheint.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.