Die Gärten schliessen
Frühe nacht verwirrt die ebnen bahnen –
Kalte traufe trübt die weiher –
Glückliche Apolle und Dianen
Hüllen sich in nebelschleier.
Grau blätter wirbeln nach den gruften.
Dahlien levkojen rosen
In erzwungenem orchester duften –
Wollen schlaf bei weichen moosen.
Heisse monde flohen aus der pforte.
Ward dein hoffen deine habe?
Baust du immer noch auf ihre worte
Pilger mit der hand am stabe?
Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Die Gärten schließen“ von Stefan George zeichnet ein stimmungsvolles, melancholisches Bild des Übergangs und des Abschieds. Die erste Strophe beschreibt eine dämmernde Landschaft, in der „frühe Nacht“ und „kalte Traufe“ das Vergehen des Tages – vielleicht auch des Sommers oder einer glücklichen Zeit – andeuten. Selbst die mythologischen Gestalten Apoll und Diana, die für Licht, Kunst und Jagd stehen, verhüllen sich im Nebel, als ob sie sich aus der Welt zurückziehen.
Die zweite Strophe verstärkt die Atmosphäre des Verfalls: Herbstblätter treiben zu den Gruften, Blumen wie Dahlien, Levkojen und Rosen verströmen noch einmal ihren Duft, als ob sie ein letztes Aufbäumen vor dem Schlaf zeigen. Die Natur scheint sich in einen erzwungenen Rhythmus des Vergehens zu fügen, die Pflanzen suchen Ruhe auf den „weichen Moosen“. Dies könnte eine Allegorie auf das menschliche Altern oder den nahenden Tod sein.
In der letzten Strophe wird der Ton nachdenklicher und persönlicher. Die „heißen Monde“, die vielleicht für leidenschaftliche Nächte oder hoffnungsvolle Zeiten stehen, sind „geflohen“. Die Frage, ob das Hoffen noch Besitz oder Wert hat, klingt resigniert. Die letzte Zeile richtet sich an einen „Pilger mit der Hand am Stabe“, ein Sinnbild für einen Suchenden, der noch immer auf verheißene Worte vertraut. Dies könnte eine Anspielung auf spirituelle oder emotionale Sehnsucht sein, die trotz des offensichtlichen Verfalls nicht aufgibt – oder ein leiser Zweifel, ob solche Hoffnungen noch gerechtfertigt sind. Das Gedicht fasst somit auf eindringliche Weise den Moment des Abschieds, der Vergänglichkeit und der inneren Ungewissheit.
Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.
Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.