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Stadt am See (Konstanz)

Von

Schon fern, in dämmernder Verschönung  Die ernste Linie einer deutschen Stadt,  Geschmiegt in Wolken von so zarter Tönung,  Wie sie allein der Juniabend hat.
Im Uferpark Musik aus dunklen Lauben,  Ein Lied: kennst du das alte Lied nicht mehr?  So lieb, so trüb wie Saft aus schweren Trauben  Ganz langsam quillt das Lied die Wellen her.
Da klingt dein Herz, als ob es Heimweh hätte,  Und sieht doch diese Stadt zum erstenmal,  Zum erstenmal die dunkle Silhouette,  Die schleiernd tränt im fahlen Mondenstrahl.

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Gedicht: Stadt am See (Konstanz) von Stefan Zweig

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Stadt am See (Konstanz)“ von Stefan Zweig entführt den Leser in eine melancholische Abendstimmung, die durch die sinnliche Wahrnehmung von Landschaft, Musik und Emotionen geprägt ist. Die Beschreibung der Stadt Konstanz, die in der Ferne in der Dämmerung liegt, dient als Ausgangspunkt für eine innere Reise, bei der das lyrische Ich von einem Gefühl der Sehnsucht erfasst wird. Die „dämmernde Verschönung“ und die „zarte Tönung“ der Wolken, die dem Juniabend eigen ist, schaffen eine Atmosphäre, die sowohl Ruhe als auch Melancholie ausstrahlt.

Die zweite Strophe verstärkt diese Stimmung durch die Einführung der Musik, die aus den „dunklen Lauben“ des Uferparks erklingt. Das „alte Lied“, dessen Text nicht explizit genannt wird, wirkt wie ein „Saft aus schweren Trauben“ – ein Sinnbild für die tiefe, manchmal schmerzliche Melancholie, die in dem Lied enthalten ist. Die Art und Weise, wie das Lied die Wellen erreicht, ist bedeutungsvoll: Es „quillt ganz langsam die Wellen her“, was die langsame Ausbreitung der Gefühle und die stille Intensität des Moments unterstreicht. Die Wahl des Wortes „quillt“ suggiert, dass diese Gefühle tief aus dem Inneren emporsteigen und sich in der Umgebung verteilen.

Im Zentrum des Gedichts steht das Herz, das – obwohl es die Stadt zum ersten Mal sieht – von Heimweh erfasst wird. Diese Paradoxie ist das zentrale Thema des Gedichts: Das lyrische Ich erlebt ein Gefühl von Sehnsucht nach etwas, das es nicht kennt, ausgelöst durch die Atmosphäre und die Musik. Die „dunkle Silhouette“ der Stadt, die im „fahlen Mondenstrahl“ wie „schleiernd tränt“, wird zum Spiegelbild der eigenen Gefühle. Die Tränen, die hier als „schleiernd“ beschrieben werden, deuten auf eine unterschwellige Traurigkeit und das Gefühl, dass das lyrische Ich durch die Schönheit und Melancholie des Moments überwältigt wird.

Zweigs Gedicht fängt auf eindrucksvolle Weise die flüchtigen, oft ungreifbaren Emotionen ein, die durch die Begegnung mit einer neuen Umgebung, Musik und der Natur hervorgerufen werden können. Es ist ein Gedicht über die Sehnsucht, das Heimweh und die Vergänglichkeit des Augenblicks. Das Zusammenspiel von Natur, Musik und den Empfindungen des lyrischen Ichs erzeugt eine Atmosphäre der Innigkeit und des Nachdenkens, die den Leser dazu einlädt, in die eigene Gefühlswelt einzutauchen.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.