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An einen Baum am Spalier

Von

Armer Baum! – an deiner kalten Mauer
festgebunden, stehst du traurig da,
fühlest kaum den Zephyr, der mit süßem Schauer
in den Blättern freier Bäume weilt
und bey deinen leicht vorübereilt.
O! dein Anblick geht mir nah!
und die bilderreiche Phantasie
stellt mit ihrer flüchtigen Magie
eine menschliche Gestalt schnell vor mich hin,
die, auf ewig von dem freien Sinn
der natur entfernt, ein fremder Drang
auch wie dich in steife Formen zwang.

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Gedicht: An einen Baum am Spalier von Sophie Mereau

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „An einen Baum am Spalier“ von Sophie Mereau drückt eine tiefe Empathie für den Baum aus, der durch die Mauern eines Spaliers gefangen ist und seine Freiheit verloren hat. Der Baum steht „festgebunden“ und „traurig da“, was ihn als Symbol für Eingeschränktheit und Sehnsucht nach Freiheit darstellt. Der Vergleich zu „freier[n] Bäumen“, die vom Zephyr, dem leichten Wind, bewegt werden, unterstreicht die Ungleichheit zwischen dem Baum im Spalier und den Bäumen in der offenen Natur. Die Freiheit, die der Baum vermisst, wird als ein natürlicher Zustand dargestellt, den er aufgrund seiner gefangenen Existenz nicht erleben kann.

Der Gedichtausdruck „O! dein Anblick geht mir nah!“ zeigt eine starke Identifikation des lyrischen Ichs mit dem Baum. Es wird eine fast persönliche Beziehung zu ihm aufgebaut, als würde der Baum nicht nur ein Teil der Natur sein, sondern ein Lebewesen, das unter einem schweren Schicksal leidet. Die „bilderreiche Phantasie“ des lyrischen Ichs projiziert eine menschliche Gestalt auf den Baum, der ebenfalls von einem „fremden Drang“ in „steife Formen“ gezwungen wird. Dies weist auf eine Parallele zwischen der Eingeschränktheit des Baumes und der des Menschen hin, der durch gesellschaftliche Normen oder äußere Umstände in ein starres Leben gezwungen wird.

Die Phantasie des lyrischen Ichs hebt die Bedeutung der inneren Freiheit hervor, die dem Baum und auch dem Menschen verwehrt bleibt. Der Baum wird metaphorisch für den Menschen in einem System von Zwängen und Erwartungen gestellt. Die Natur, die in ihrer freien Form so lebendig und ungebunden ist, wird im Gedicht als Symbol für das Leben ohne Einschränkungen dargestellt. Doch der Baum, der „von dem freien Sinn der Natur entfernt“ ist, verweist auf das Schicksal des Menschen, der durch äußere Kräfte – sei es gesellschaftlich oder individuell – von seiner natürlichen Freiheit getrennt wird.

Mereau zeigt auf eindrucksvolle Weise, wie der Mensch, ähnlich wie der Baum, in seiner Entfaltung gehemmt werden kann und eine Sehnsucht nach der Freiheit empfindet, die ihm verwehrt bleibt. Das Gedicht ist eine eindringliche Reflexion über die menschliche Einschränkung und das Streben nach Autonomie.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.