Nachts
Alles ruht – nur meine Seele
Ist noch ihrem Kummer wach;
Schmerzlicher, weil ichs verhehle,
Drückt sie ihr gepreßtes: Ach!
Schwüle liegt auf meinem Herzen,
Schwerer Ahndung bange Last –
Nie verschwinden diese Schmerzen,
Nur im Grabe wohnet Rast –
Gott! mein Gott! o gieb mir Stille,
Sprich zu meinem Geiste: Ruh!
Bey dir ist des Friedens Fülle,
Wink mir süßen Schlummer zu.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Nachts“ von Sophie Albrecht thematisiert die nächtliche Einsamkeit und innere Qual einer leidenden Seele, die Trost und Frieden sucht. Während „alles ruht“, bleibt das lyrische Ich schlaflos zurück, gefangen in einem Zustand tiefer seelischer Unruhe. Die Nacht, oft mit Ruhe und Erholung assoziiert, wird hier zum Raum intensiver, verborgener Trauer – eine Trauer, die umso schmerzlicher wird, weil sie unterdrückt werden muss („weil ich’s verhehle“).
Die zweite Strophe verstärkt das Bild einer bedrückten Seele. Die „Schwüle“ auf dem Herzen und die „bange Last“ der „Ahndung“ deuten auf eine unbestimmte, aber schwere Zukunftsangst hin. Diese Stimmung führt zu einer düsteren Erkenntnis: Ein echtes Ende des Schmerzes scheint nur im Tod möglich zu sein – „Nur im Grabe wohnet Rast“. Der Tod erscheint hier nicht als Schrecken, sondern als letzter Ort der Ruhe, als erlösende Gegenwelt zum inneren Aufruhr.
In der letzten Strophe wendet sich das lyrische Ich verzweifelt an Gott. Die direkte Anrede („Gott! mein Gott!“) verleiht dem Gedicht eine religiöse Tiefe und zeigt den existenziellen Ernst der Bitte. Der Wunsch nach Stille und geistigem Frieden richtet sich an eine höhere Macht, denn nur bei Gott ist „des Friedens Fülle“ zu finden. Die Bitte um „süßen Schlummer“ kann dabei sowohl wörtlich als Schlaf verstanden werden, als auch symbolisch als Sehnsucht nach seelischer Erlösung.
„Nachts“ ist ein eindringliches Zeugnis innerer Zerrissenheit und stiller Verzweiflung. Sophie Albrecht verleiht der Erfahrung nächtlicher Einsamkeit eine tiefe emotionale und spirituelle Dimension. Durch die knappe, klare Sprache und den Verzicht auf ausschmückende Bilder wirkt das Gedicht besonders direkt und ehrlich – ein leiser, aber intensiver Ausdruck weiblicher Melancholie und Glaubenssuche.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.