An Henriette Froriep
Meine Seele war bey dir
Ich stand an deinem Sterbebette
Hörte den lezten ängstlichen Athemzug
Deiner heisen Brust –
Sahe den Blik,
Der mir so oft lächelte –
Sich trüben – brechen –
Und endlich hinstarren,
Auf dieser Welt nichts mehr suchend.
Da warf ich mich auf dich hin
Schüttelte dich
Rief dir
Und wollte dich mit meinen heissen Thränen erwärmen.
Aber du bliebst kalt
Und stumm.
Sie legten dich in eben den Sarg
Den ich und Du
So oft Schlafstelle genannt hatten.
Aber da sie dich hineinschlossen
War er mir Sarg
War er mir die fürchterliche Hölle
Der Vernichtung.
Nicht nur dein Mensch von Erde
Sollte verwesen
Du selbst wurdest verriegelt
Um nimmermehr wieder hervorzugehen.
Sie trugen dich fort
Zitternd stürzte ich mich durch die schwarze Reyhe
Umschlang deinen Sarg –
Aber sie rissen mich weg
Und als ich mich wiederfand
Stand ich allein an deinem Grabe
Und mein Blik
Schauderte die fürchterliche Tiefe herab,
Die uns auf ewig trennte;
Und doch verlies mich
Die stumme Verzweiflung
Die meine Seele ergriff
Als sie dich einsenkten;
Mir wars
Wie wenn ich in einer stürmischen
Rabenschwarzen Nacht
Meinen Weg verloren hätte,
Und in Klippen geriethe
Wo ich aufgeben muste,
Ihn diese Nacht zu finden;
Aber doch gegen Osten stand
Wo ich so ganz gewis wuste –
Daß der Morgen wiederkommen müßte.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „An Henriette Froriep“ von Sophie Albrecht ist ein intensiver Ausdruck von Trauer, Verzweiflung und zaghaftem Hoffen nach dem Tod einer geliebten Freundin. In eindringlichen Bildern schildert das lyrische Ich die letzten Augenblicke am Sterbebett, den unaufhaltsamen Verlust und die verzweifelte Ohnmacht angesichts der Endgültigkeit des Todes.
Die Sprache ist unmittelbar und emotional aufgeladen. Durch die Aneinanderreihung kurzer, drängender Sätze und das häufige Aufbrechen der Satzstruktur wird die tiefe Erschütterung des lyrischen Ichs spürbar. Die Beschreibung des Augenblicks des Todes – das Trüben und Brechen des Blicks, das Verstummen der Brust – erzeugt eine bedrückende, fast körperlich erfahrbare Nähe zur Sterbenden. Besonders eindrücklich ist das Bild der vergeblichen Versuche, die Tote durch Umarmung und Tränen wieder ins Leben zurückzuholen.
Das zentrale Motiv ist der Übergang vom Leben zum Tod, der als grausam und endgültig erlebt wird. Der Sarg, der zuvor als „Schlafstelle“ in vertrauter, fast harmloser Weise gesehen wurde, wird nun zur „Hölle der Vernichtung“. Diese Wandlung zeigt, wie der Tod nicht nur einen Menschen nimmt, sondern auch das Vertrauen auf eine gemeinsame Zukunft zerstört.
Dennoch endet das Gedicht mit einem leisen Hoffnungsschimmer: Trotz der „stürmischen, rabenschwarzen Nacht“, in der sich das lyrische Ich verloren fühlt, bleibt die Gewissheit bestehen, dass „der Morgen wiederkommen müsse“. Damit wird die tiefste Verzweiflung durch ein zartes, kaum fassbares Hoffen auf ein Wiedersehen oder eine geistige Erlösung gemildert. Möchtest du noch eine kurze Erläuterung zu typischen stilistischen Mitteln bei Sophie Albrecht?
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.