Ich diene jedermann, dem Bürger und dem Bauer,
Ich diene groß und klein, früh, mittags und bey Nacht,
Ich werd auf jedem Schmauß sehr reichlich dargebracht:
Ich gleich der Bayren Tracht, und schicke mich zur Trauer,
Ich glänz und bin so fest wie Steine an der Mauer.
Mich liebt das Frauen-Volk; man ist zugleich bedacht,
Daß man mich vor der Hand der Diebe wohl bewacht,
Das Fleisch verfaulet bald; ich bin von beßrer Dauer.
Es ist mein Vaterland den wenigsten bewust.
Ich reise weit herum, und komm in viele Länder,
Ich bin ein guter Arzt, darneben ein Verschwender.
Auf! hohlt zum Zeitvertreib, und zur beliebten Lust
Dergleichen jetzt herbey; ja wer mich wird ergründen,
Soll einen Zucker-Hut davor zur Gabe finden.
Sonnet und Rätzel in ein Stambuch
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Sonnet und Rätzel in ein Stambuch“ von Sidonia Hedwig Zäunemann ist ein Rätselgedicht, das in der Tradition der Barocklyrik steht. Es präsentiert eine Reihe von Eigenschaften und Funktionen, die erraten werden sollen, um was es sich handelt. Zäunemann bedient sich hierbei einer klaren und präzisen Sprache, die es dem Leser ermöglicht, die Hinweise zu verfolgen und das Rätsel zu lösen. Die Struktur eines Sonetts, mit seinem festen Reimschema und der Abfolge von Quartetten und Terzetten, verleiht dem Gedicht eine formale Eleganz und unterstützt die Rätselhaftigkeit.
Das Gedicht beginnt mit Hinweisen auf seine universelle Nützlichkeit und seinen häufigen Gebrauch. Die Zeilen „Ich diene jedermann, dem Bürger und dem Bauer, / Ich diene groß und klein, früh, mittags und bey Nacht“ betonen die Allgegenwart und Zugänglichkeit des Rätselgegenstands. Die Erwähnung des „Schmauß“ und der „Bayren Tracht“ deutet auf eine Verbindung zur Alltagswelt und zu festlichen Anlässen hin. Die Fähigkeit, sowohl Freude als auch Trauer zu begleiten, unterstreicht die vielfältigen Anwendungen. Der Hinweis, dass der Gegenstand „glänzt und [ist] so fest wie Steine an der Mauer“ deutet bereits auf eine gewisse Beständigkeit und Haltbarkeit hin.
Im weiteren Verlauf des Gedichts werden weitere Hinweise gegeben, die das Rätsel einengen. Die Zeile „Mich liebt das Frauen-Volk; man ist zugleich bedacht, / Daß man mich vor der Hand der Diebe wohl bewacht“ deutet auf einen Wert oder eine Bedeutung hin, die vor Diebstahl geschützt werden muss. Der Vergleich mit dem Verfall von Fleisch („Das Fleisch verfaulet bald; ich bin von beßrer Dauer“) lenkt die Aufmerksamkeit auf eine längere Haltbarkeit. Die Bemerkung über die Herkunft („Es ist mein Vaterland den wenigsten bewust“) und die weltweite Verbreitung („Ich reise weit herum, und komm in viele Länder“) deutet auf etwas importiertes oder weit verbreitetes hin.
Die letzten Zeilen „Ich bin ein guter Arzt, darneben ein Verschwender. / Auf! hohlt zum Zeitvertreib, und zur beliebten Lust / Dergleichen jetzt herbey; ja wer mich wird ergründen, / Soll einen Zucker-Hut davor zur Gabe finden“ geben letztendlich den entscheidenden Hinweis. Die Kombination aus „guter Arzt“ und „Verschwender“ weist in Verbindung mit den vorherigen Hinweisen auf das **Zucker** hin. Zucker wurde früher als Medizin verwendet und als Luxusgut betrachtet. Das Versprechen eines „Zucker-Hut“ als Belohnung für die Lösung des Rätsels unterstreicht dies und schließt den Kreis zu den im Gedicht beschriebenen Eigenschaften, wie Nützlichkeit, Verbreitung und Wert. Zäunemann spielt geschickt mit der Doppeldeutigkeit des Wortes „Zucker“ und seiner kulturellen Bedeutung.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.
