Sommermittag
Nun ist es still um Hof und Scheuer,
Und in der Mühle ruht der Stein;
Der Birnenbaum mit blanken Blättern
Steht regungslos im Sonnenschein.
Die Bienen summen so verschlafen;
Und in der offnen Bodenluk′,
Benebelt von dem Duft des Heues,
Im grauen Röcklein nickt der Puk.
Der Müller schnarcht und das Gesinde,
Und nur die Tochter wacht im Haus;
Die lachet still und zieht sich heimlich
Fürsichtig die Pantoffeln aus.
Sie geht und weckt den Müllerburschen,
Der kaum den schweren Augen traut:
»Nun küsse mich, verliebter Junge;
Doch sauber, sauber! nicht zu laut.«
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Sommermittag“ von Theodor Storm beschreibt in klarer, idyllischer Sprache die Atmosphäre eines heißen Sommertags auf dem Land, wobei es gleichzeitig eine kleine Liebesgeschichte andeutet. Das Gedicht beginnt mit der Beschreibung einer vollkommenen Ruhe, die über dem Hof, der Scheune und der Mühle liegt. Der Stillstand des Mühlsteins und die regungslose Haltung des Birnbaums im Sonnenschein unterstreichen die Hitze und die damit verbundene Lethargie, die das Leben verlangsamt.
Die zweite Strophe verstärkt diese sommerliche Trägheit durch die Beschreibung der schläfrigen Bienen und des Puks, der vom Heugeruch benebelt auf der Bodenluke schläft. Die Beschreibung der Bienen und des Puks, der als kleiner Kobold in der Volksüberlieferung bekannt ist, verleiht dem Gedicht eine spielerische Note und deutet auf eine märchenhafte, fast verträumte Atmosphäre hin, die durch die Hitze verstärkt wird. Der „graue Röcklein“ des Puks könnte auch als Hinweis auf die Staubigkeit des Sommers interpretiert werden.
In der dritten Strophe wird die Stille durch die schlafenden Bewohner des Hofes und der Mühle noch weiter betont. Nur die Tochter, die im Haus wacht, bildet eine Ausnahme. Ihre heimliche Vorgehensweise beim Ausziehen der Pantoffeln deutet auf eine heimliche Verabredung oder einen geheimen Plan hin. Die heimliche Bewegung und ihre Zurückhaltung, die in dem vorsichtigen Ausziehen der Pantoffeln zum Ausdruck kommt, erzeugt eine Spannung und bereitet den Übergang zur Liebeshandlung vor.
Die vierte Strophe enthüllt das eigentliche Geschehen: Die Tochter weckt den Müllerburschen und fordert ihn zum Kuss auf, wobei sie ihn auffordert, es sauber und nicht zu laut zu tun. Diese Zeilen brechen die zuvor beschriebene Idylle auf und enthüllen eine heimliche Liebesbeziehung. Der Kontrast zwischen der beschaulichen Sommerruhe und dem heimlichen Treffen erzeugt eine subtile Spannung und lässt eine leichte Melancholie in dem Gedicht anklingen, die von der vergänglichen Natur des Glücks und der Liebe erzählt.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.