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Wie manches Lied

Von

Wie manches Lied hab ich zu der Zeit aufgesetzt,
Mit dem sich Königsberg noch diese Stund ergetzt
Zu Zeiten rührt ich auch die Saiten meiner Geigen.
Die Vögel sungen mit und zwangen mich zu schweigen
Im stillen Pregel schrie der geilen Frösche Schar,
Am Laube ward ich dann der Raupen wohl gewahr,
Die weiße Rose ward bestohlen von den Bienen
Indessen kamst Du, und Blum samt Roberthinen,
Auch Fauljoch, der mit uns so manchen lieben Tag
In Zucht gemäßer Lust hinwegzubringen pflag.
Welch Anmut oder Scherz ist damals hinten blieben!
Wer zählt die Fröhlichkeit, mit welcher wir vertrieben
Die noch so kurzen Tag? …
… Dies Ort war wie man spürt
Mit Erd am Pregelstrom in etwas aufgeführt.

Hat Rom so manches Reich, so manches Volk verheert
Ein Got und Wend hat oft sie selbst ganz umgekehrt.
O könnt ich Deiner doch, o Magdeburg, hie Schweigen.
Was kannst uns Du jetzt noch von Deiner Schönheit zeigen!
Ich habe Dich gesehen und oft gesagt, Du mußt
Des Höchsten Gnüge sein, sein Herz und beste Lust.
Ist aber dieses Lieb? Ist dieses Gunst gewesen,
Daß er uns andern dich zum Scheusal hat erlesen?
Und war er dazumal in deine Schön entbrannt,
Als er dich übergab in deiner Feinde Hand?
Als Schänden, Raub und Tod zu dir sind eingewzogen
Und du in einer Glut bist himmelauf geflogen?
Die Elbe sich verfärbt und in dein Glut versteckt
Und wußte keinen Lauf, mit Leichen zugedeckt?

Wo laß ich, Deutschland, dich? Du bist durch Beut und Morden,
Die dreißig Jahr her nun, dein Hencker selbst geworden
Und hast dich hingewürgt: denn deiner Freiheit Ruhm
Die deine Seele war und bestes Eigentum
Muß in den Fesseln gehen die Glut ist zwar geleget
Die doch betrieglich noch sich in der Aschen reget
Sobald zeucht einer aus das wilde Kriegesschwert,
Das wirderum sehr schwer in seine Scheide fährt.
O würden wir doch klug durch fremder Not und Schaden,
Ohn Zweifel kämen wir bei Gott hiedurch zu Gnaden!
Das Gute, so uns hält umgeben in Gemein,
Würd‘ unsrer Kinder auch, ja Kindeskinder sein.
Mein Albert, werter Freund, laß uns tun, was wir können,
Will gleich die Zeit so kurz uns hie zu sein vergönnen,
Wir zwingen ihren Zwang, sie wüte wie sie kann,
Sie greift nicht unsern Geist, noch seine Gaben an.
Der führt das Glück und sie im Fall er will gefangen
Und kann in Not und Streit zu seiner Ruh gelangen,
Dem Wetter, wenn es stürmt, auf eine zeitlang weicht
Und nachmals auf sein Ziel mit vollen Segel streicht

Es ist kein Reim wofern ihn Geist und Leben schreibt,
Der uns der Ewigkeit nicht einverleibt.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Wie manches Lied von Simon Dach

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Wie manches Lied“ von Simon Dach ist eine tiefgreifende Reflexion über persönliche Erinnerung, Vergänglichkeit, Heimatverlust und die Zerstörung im Dreißigjährigen Krieg. Es beginnt mit einer nostalgischen Rückschau auf eine vergangene, friedvolle Zeit, in der der Dichter Musik machte, die Natur erlebte und gesellige Momente mit Freunden wie „Fauljoch“ teilte. Diese ersten Verse zeichnen ein idyllisches Bild, das durch die Harmonie zwischen Mensch, Natur und Musik geprägt ist. Der Ort am Pregel, vermutlich Königsberg, wird dabei zur Bühne gemeinsamer Freude und kultureller Entfaltung.

Mit dem Übergang zum Thema Magdeburg wird der Ton schlagartig ernster. Die Stadt, die einst als Ausdruck göttlicher Schönheit galt, wurde durch Kriegsgräuel zerstört. Dach schildert die Belagerung und das Massaker von Magdeburg (1631) in drastischen Bildern: von Feuer, Leichen und einer blutgetränkten Elbe. Diese drastische Wendung konfrontiert das lyrische Ich – und den Leser – mit der brutalen Realität des Krieges und der Frage nach göttlicher Gerechtigkeit. Das frühere Ideal von göttlicher „Gunst“ wird nun bitter in Frage gestellt.

Im letzten Drittel weitet sich der Blick auf das gesamte vom Dreißigjährigen Krieg zerrissene Deutschland. Dach spricht das Land direkt an und klagt es an, sich selbst zerstört zu haben. Der Ruhm der Freiheit sei verloren, die Gewalt habe nicht nur Städte vernichtet, sondern auch den geistigen und moralischen Kern des Landes erschüttert. Dennoch mündet die Reflexion nicht in Verzweiflung, sondern in einen moralischen Appell: Klugheit durch Erfahrung, Umkehr zu Gott, und das Festhalten an geistigen Werten auch in dunkler Zeit.

Besonders eindrucksvoll ist die sprachliche Gestaltung des Gedichts. Der Wechsel zwischen zarten, naturhaften Bildern und drastischer Kriegsdarstellung erzeugt eine emotionale Spannung. Die Gegensätze von früherem Glück und gegenwärtigem Leid verstärken die Wirkung der Botschaft. In den Schlussversen wird das Dichten selbst zum Akt der Hoffnung – wer mit „Geist und Leben“ schreibt, schafft etwas Bleibendes, das sogar der Ewigkeit zugehört. Simon Dach verbindet damit persönliches Erinnern, historische Anklage und einen stillen Trost in der Kraft des Wortes.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.