Mutterliebe
Ich bin so schwach, ich bin so matt,
Seit man aus mir genommen hat
Mein Kindlein, das süße, das runde
Mit dem wunderlieblichen Munde,
Den Bäcklein so rosig, den Äuglein voll Glanz,
Darin sich die Welt mir spiegelt ganz!
Mein Kindlein, ich lieb‘ es so innig, so wahr!
Denn ’s ist eine Perle, ganz echt, ganz rar!
Und leid‘ ich nun auch die gleichen Qualen
Wie die Auster, der man aus den Muschelschalen
Entnommen die Perle, so mag ich denn sterben,
Stolz: meine Perle der Welt zu vererben!
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Mutterliebe“ von Sidonie Grünwald-Zerkowitz thematisiert die tiefe Verbindung zwischen einer Mutter und ihrem Kind sowie den Schmerz der Trennung. Die Mutter empfindet eine körperliche und seelische Schwäche, seit ihr das Kind „genommen“ wurde – ein Ausdruck, der sowohl auf Geburt als auch auf Verlust hindeuten kann.
In der ersten Strophe wird das Kind liebevoll beschrieben: Sein Mund, seine rosigen Wangen und glänzenden Augen spiegeln für die Mutter die ganze Welt wider. Diese detailreiche, zärtliche Darstellung verdeutlicht die innige Mutterliebe, die das Kind zum Mittelpunkt ihrer Existenz macht. Die Welt wird für sie nicht unabhängig vom Kind wahrgenommen, sondern durch dessen Augen und Wesen.
Die zweite Strophe steigert das Gefühl des Schmerzes, aber auch des Stolzes. Die Mutter vergleicht ihr Kind mit einer seltenen, kostbaren Perle, die man einer Auster entreißt. Dieses Bild verweist auf die Qualen der Trennung – sei es durch die Geburt, das Heranwachsen oder den Tod. Doch trotz des Leidens bleibt die Mutter stolz: Ihr Kind ist eine „Perle“, die sie der Welt hinterlässt, wodurch ihr Schmerz eine tiefere Bedeutung erhält.
Das Gedicht vereint mütterliche Hingabe, Verlust und die Hoffnung, dass das geliebte Kind in der Welt weiterbesteht. Die Verbindung von Schmerz und Stolz verleiht den Versen eine bittersüße Note und betont die aufopfernde, unerschütterliche Liebe einer Mutter.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.