Der Kuß
Dein Kuß allein will mir nicht genügen!
Ein Kuß nicht mein Begehren stillt!
Trankst Du ihn je in vollen Zügen
Und empfandst noch nicht, was aus ihm quillt?
Ein Kuß – ein Blitz unter Sturmes Toben –
Ein süß Gewittern der Sinnenflut
Im tiefsten Mark, das nach unten, nach oben
Das Sein im Zickzack durchrast mit Glut.
Gewitter, das nicht sich löset in Regen …
In den Wolken bleibt und wühlend drin schwebt …
Und wetterleuchtend auf allen Wegen
Mit peinvollen Schauern uns durchbebt …
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Der Kuß“ von Sidonie Grünwald-Zerkowitz ist eine leidenschaftliche Reflexion über die Kraft und Intensität eines Kusses. Es verbindet sinnliche Empfindungen mit der Metaphorik eines Naturgewitters und beschreibt den Kuss nicht nur als flüchtige Berührung, sondern als ein überwältigendes, körperlich und seelisch tiefgreifendes Erlebnis.
Die erste Strophe stellt das ungestillte Verlangen in den Mittelpunkt: Ein einzelner Kuss genügt dem lyrischen Ich nicht, da er eine Sehnsucht entfacht, die nach mehr verlangt. Die Frage, ob der Geliebte jemals die ganze Tiefe eines Kusses empfunden habe, unterstreicht die Ungeduld und das Drängen nach völliger Hingabe.
In der zweiten Strophe erreicht die Bildsprache ihren Höhepunkt: Der Kuss wird mit einem Blitz verglichen, der inmitten eines tobenden Sturms auflodert. Diese Metapher verleiht ihm eine explosive, fast unkontrollierbare Energie. Das „süße Gewittern der Sinnenflut“ erfasst den ganzen Körper, durchrast ihn in „Zickzack“ und entfacht eine glühende Erregung.
Die letzte Strophe beschreibt, dass dieses Gewitter nicht in einem reinigenden Regen endet, sondern sich weiter in den Wolken bewegt und mit unerfüllter Spannung bestehen bleibt. Dieses unaufgelöste Wetterleuchten symbolisiert eine Leidenschaft, die nicht nachlässt, sondern das lyrische Ich auf all seinen Wegen begleitet – eine Mischung aus Lust und Pein.
Durch die kraftvolle Bildsprache und die leidenschaftliche Intensität gelingt es Grünwald-Zerkowitz, den Kuss als Symbol für eine ungestillte, fast überwältigende Sehnsucht darzustellen. Die Verbindung von Naturgewalt und menschlicher Leidenschaft verleiht dem Gedicht eine elektrisierende, fiebrige Atmosphäre.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.