Lasset Schul′ und Katheder und Beichtstuhl, Kanzel und Hörsaal,
Bücher und Bibliothek, laßt sie und höret mich an.
Eifrer der Frömmigkeit, euch preis′ ich Siciliens Frauen;
Denn ein herrlich Geschlecht schmücket Trinakrien noch.
Fremden gefällig, von lüsternem Geist, von feurigen Sinnen,
Wer vermöcht′ euch darum, Töchter von Zankle, zu schmähn?
Zarte Kinder, von blondem Gelock, blauglänzenden Augen
Bietet Catania dir, bietet die freundliche dar.
Zwar kaum hatte den goldenen West, den reinen, die erste
Abendröthe mit Gluth über dem Hybla gefärbt:
Sieh, und es zeigt vom Balkon ein Liebchen mir schon Arethusa,
Und Ortygia dünkt längst mir die Heimath zu sein.
Doch nicht wüßt′ ich darum Syrakusas Töchter zu preisen,
Denn mit der Quelle gefolgt sind sie dem niederen Dienst.
Frisches Blut und kräft′ge Natur und edle Gesundheit,
Unverdorbene Zucht, fern der Verführung der Welt
Findest am Aetna du, wo Indiens Feig′ und die Rebe,
Wo Orang′ und Granat glückliche Städte bedeckt.
Oder im fernen Buscemi, im pinienumgrünten Piazza,
Oder auf luftigem Fels, auf dem gigantischen dort,
Wo mit Dianen einst Proserpina Veilchen gepflücket
Und Aphrodite selbst heilige Keuschheit bewahrt;
Oder auf Trapanis Berg, nur daß die blühenden Reize
Neidisch der Schleier dem Blick hier, der arab′sche, bedeckt.
Dennoch aber der Preis der hohen Königin sei er,
Mutter der schönsten Frau′n, dir, o Palermo, geweiht.
Denn wie du selbst die erhabenste bist der Städte, wie üppig
Berg und Hügel und Thal Flora mit Blüthen bedeckt,
Hat die Natur, die mit Palmen dich schmückt und Aloe, der Menschheit
Zärteste Blumen auch euch, reizende Frauen, geliebt.
Hört′s, o Eifrer, an Süßigkeit gleicht Palermos Orangen
Kein′, und Palermos Geschlecht gleicht in Trinakrien keins.
Nun zu Schul′ und Katheder, zu Beichtstuhl, Kanzel und Hörsaal,
Bücher und Bibliothek kehret mir wieder zurück.
Nennet euch tugendhaft und schmähet mich fort, doch die Strafe
Giebt sich selber wer nie menschliche Liebe gefühlt.
Sicilianische Lieder (9) – Die Frauen
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Sicilianische Lieder (9) – Die Frauen“ von Wilhelm Friedrich Waiblinger ist eine Ode an die Schönheit und den Reiz der sizilianischen Frauen, die sich in verschiedenen Städten und Regionen der Insel manifestiert. Das Gedicht beginnt mit einem Aufruf, alle weltlichen Beschäftigungen wie Lehre, Religion und Bildung zu verlassen, um der Lobpreisung der Frauen Siziliens zuzuhören. Waiblinger beschreibt zunächst die „fröhlichen“ Töchter von Zankle (Messina) und Catania, bevor er die Vorzüge anderer Orte wie Syrakus und Buscemi lobt, die trotz ihrer einzigartigen Eigenschaften und Schönheiten nicht mit Palermo verglichen werden können.
Die Verse sind voller überschwänglicher Beschreibungen der physischen Schönheit der Frauen und der malerischen Landschaften Siziliens, wodurch eine Verbindung zwischen der Natürlichkeit und Fruchtbarkeit der Insel und der Schönheit ihrer Bewohnerinnen hergestellt wird. Waiblinger beschreibt die Frauen als „fremden gefällig, von lüsternem Geist, von feurigen Sinnen“, er nimmt ihnen aber diese vermeintliche „Lust“ nicht übel, sondern scheint sie zu begrüßen. Die Erwähnung von mythologischen Figuren wie Arethusa, Ortygia, Proserpina, Dianen und Aphrodite verweist auf die antike Geschichte und die mythologische Bedeutung der Insel. Waiblinger suggeriert einen Ort der Sinnlichkeit und des Genusses, der im Einklang mit der Natur steht.
Der Höhepunkt des Gedichts ist die Huldigung an die Frauen von Palermo, die als die schönsten von allen gepriesen werden. Sie werden als „zärteste Blumen“ der Menschheit bezeichnet, die von der Natur geliebt werden, so wie die Stadt selbst von üppiger Vegetation umgeben ist. Diese Verbindung von Schönheit und Natur unterstreicht die romantische Sichtweise des Dichters und sein Festhalten an der Sinnlichkeit und dem Genuss, die er in Sizilien zu finden scheint. Die letzten Zeilen des Gedichts sind ein Appell an die Leser, sich trotz Kritik von der Schönheit und dem Vergnügen nicht abzuwenden, da diejenigen, die die menschliche Liebe nie erfahren haben, sich letztlich selbst bestrafen.
Waiblinger scheint mit diesem Gedicht eine Ode an die Sinnlichkeit und die Schönheit des Lebens, verkörpert durch die Frauen Siziliens, zu verfassen. Das Gedicht ist eine Reise durch die Städte und Landschaften Siziliens, wobei jede Station eine neue Facette der Schönheit offenbart. Die Verwendung von Bildern und Vergleichen aus der Natur, der Mythologie und der Architektur erzeugt eine reiche und lebendige Darstellung, die die Leser dazu einlädt, die Schönheit und den Reiz Siziliens und seiner Frauen zu genießen.
Das Gedicht ist somit eine Hommage an die sinnliche Schönheit Siziliens und seiner Frauen. Es entwirft ein Bild von sinnlicher Freude, das durch die Verbindung von natürlicher Schönheit und menschlicher Anziehungskraft erzeugt wird. Die Betonung der Sinnlichkeit steht in deutlichem Kontrast zu den anfangs genannten Institutionen, wie Schule, Kirche und Bibliothek, und fordert die Leser auf, das Leben in seiner vollen Pracht zu erfahren.
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