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Sicilianische Lieder (3) – Religionen

Von

Laßt mich schwärmen und quälet mich nicht; im Lande der Fabel
Leb′ ich, so sei auch mein Herz, sei auch mein Lied ihr geweiht.
Bleibt in den Fesseln und glaubt was euch die Amme gelehret;
Anderes aber bewegt mir den entbundenen Geist.
Dieser Boden, er trug der Offenbarungen jede;
Jupiter, Mahom und Christ glaubt′ und verehrte man hier.
Drum verarget mir nicht, wenn mir der Tempel Girgenti
Mehr als der maurische Dom Opfer und Andacht verdient;
Wenn dein uranisches Wundergebild, Syrakus, wenn die Göttin
Mehr als das heilige Holz heute dem Auge gefällt.
Dir gestatt′ ich dafür, daß du deutschthümlicher Salbung
Lebest für gothische Kunst, gothischen Glaubens erstirbst.
Erst ein Jude, dann Christ, erst Protestant, dann katholisch,
Wahrlich ein Heiland, doch erst will ich am Kreuze dich sehn.

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Gedicht: Sicilianische Lieder (3) - Religionen von Wilhelm Friedrich Waiblinger

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Sicilianische Lieder (3) – Religionen“ von Wilhelm Friedrich Waiblinger ist eine poetische Reflexion über die Vielfalt der Religionen und die persönliche Freiheit des Dichters, sich von dogmatischen Zwängen zu befreien. Es ist eine Hymne auf die Fantasie und die Schönheit, die in verschiedenen kulturellen und religiösen Ausdrucksformen gefunden werden können. Der Dichter positioniert sich bewusst außerhalb der engen Grenzen des traditionellen Glaubens und der Konventionen.

Der erste Teil des Gedichts etabliert eine Distanz zu den Erwartungen der Konvention. Der Dichter bittet darum, ungestört in seiner Welt der Fantasie zu verweilen, die von der „Fabel“ und der „Freiheit des Geistes“ geprägt ist. Er lehnt die starren Regeln und den Glauben ab, die von Autoritäten, wie der „Amme“, gelehrt werden. Diese Distanzierung bildet die Grundlage für die nachfolgende Auseinandersetzung mit der religiösen Vielfalt Siziliens. Waiblinger feiert die verschiedenen Glaubensvorstellungen, die sich im Laufe der Geschichte auf sizilianischem Boden manifestiert haben: von den alten Göttern Jupiters über den Islam Mahomets bis hin zum Christentum.

Im Zentrum des Gedichts steht die Wertschätzung der ästhetischen und kulturellen Aspekte verschiedener religiöser Stätten. Der Dichter zieht die antiken Tempel Girgentis und die Wunder der Stadt Syrakus den traditionellen religiösen Symbolen, wie dem „maurischen Dom“ oder dem „heiligen Holz“, vor. Diese Präferenz spiegelt eine Betonung des Schönen und der historischen Bedeutung wider, statt der strikten Befolgung religiöser Vorschriften. Dies deutet auf ein Interesse an der Schönheit und der Vielfalt der Kulturen und Religionen hin, ohne eine präzise Präferenz zu äußern.

Der abschließende Vers, der in sarkastischem Ton gehalten ist, unterstreicht die Ablehnung dogmatischer Festlegungen. Der Dichter verspottet die konsequente, religiöse Anhänglichkeit mit einem ironischen Spiel mit der Wiederholung verschiedener Glaubensrichtungen. Die Zeile „Wahrlich ein Heiland, doch erst will ich am Kreuze dich sehn“ verdeutlicht die ironische Haltung des Dichters gegenüber der Fixierung auf das Kreuz als Symbol der Erlösung. Waiblinger schließt mit einer spielerischen Provokation, die seine Ablehnung des Dogmatismus und seine Hinwendung zur persönlichen Freiheit der Interpretation unterstreicht.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.