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Sicilianische Lieder (11) – Palermo

Von

Aber warum von Palermo du schweigst? Normännischer Baukunst,
Gothischer Kirchen ist dort, maur′scher Paläste so viel.
Denke des Domes nur in Monreale, des alten,
Frommer Mosaik, des Styls, der nur gerecht ist vor Gott.
Wie, von Palermo zu hören, ihr wünscht es, christlichen Freunde?
Nun doch, wie immer, bin ich euch zu erzählen bereit.
Morgens weih′ ich ein Stündchen mir selbst und meinen Gedanken.
Drauf in den Wagen – er ist reinlich und hübsch und bequem –
Oder durchs laute Gewühl des überfüllten Toledo
Dräng′ ich mich auch und mir dünkt hier in Neapel zu sein.
Vieles beschäftigt mich, mich erfreut das Getümmel, der Reichthum,
Mich der thätige Trieb, mich die alltägliche Welt.
Weih′ ich aber dem Schönen den Blick, gleich erfaßt mich ein Bettler
Winselnd und weißen Barts, nackt wie das Weib ihn gebar.
Gern besuch ich die Freunde, die wohlgesinnten, und Nektar,
Altsikulischer, giebt Leben und Scherz dem Gespräch.
Meist doch streif′ ich am Strande des Meers und betrachte die Barken
Und die Schiffer, wie sie hier zu Rosaliens Berg,
Oder zum Kap hinschweben von Zafaran, mich belustigt
Jetzt die städtische Pracht, Gärten und Park und Palast,
Jetzt das lieblichste Bild äolischer Inseln. Es führt mich
Stunden und Tage der Weg so durch Palermos Natur.
Alle Berg′, ich erklettre sie kühn; doch bist du vor allen,
Fels′ger Cypressenpark, Bocca di Falco, mir lieb.
Auch die Gärten durchwandl′ ich und sehe Brasiliens Pflanzen
Frei, in glücklicher Luft, wie in der Heimath erblühn.
Werd′ ich müde, so lockt die Citron′, es lockt mich der Maulbeer
In den Schatten und reicht Schutz vor der Sonne Gewalt.
Aber den Durst, bald stillt ihn Indiens stachliche Feige,
Bald der Brunnen und bald stillt ihn der süße Sorbet.
Denn am Abend kehr′ ich zur Stadt, und muntre Gesellschaft,
Wie dem Vogel die Luft, ist sie mir nöthig, o Freund.
Christlicher Freund, dich hab′ ich gemeint; doch zu guter Gesellschaft,
Merk es, zähl′ ich bei Nacht immer ein Liebchen dazu.

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Gedicht: Sicilianische Lieder (11) - Palermo von Wilhelm Friedrich Waiblinger

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Sicilianische Lieder (11) – Palermo“ von Wilhelm Friedrich Waiblinger ist eine poetische Reflexion über die Eindrücke und Erfahrungen des Dichters in Palermo. Es vereint die Beschreibung der äußeren Schönheit der Stadt mit der Erforschung der inneren Befindlichkeit des lyrischen Ichs. Der Text ist in Reimform verfasst und zeichnet sich durch eine Mischung aus Reisebericht, Naturbeschreibung und Selbstreflexion aus.

Waiblinger beginnt mit der Frage nach dem Schweigen über Palermo und hebt anschließend die vielfältigen kulturellen Einflüsse hervor, die die Stadt prägen, von normannischer Baukunst bis hin zu maurischen Palästen. Die Erwähnung des Doms in Monreale und seiner frommen Mosaike unterstreicht die religiöse und künstlerische Bedeutung der Region. Der Dichter scheint sich dem Wunsch seiner „christlichen Freunde“ nach einer Erzählung über Palermo zu beugen und schildert daraufhin seinen Tagesablauf, der sich aus Besinnung, Erkundung und sozialem Leben zusammensetzt. Dabei wechselt er zwischen dem Genuss der städtischen Pracht und dem Beobachten der ärmeren Bevölkerung, was einen Kontrast zwischen Reichtum und Armut aufzeigt.

Das Gedicht zeichnet sich durch die Darstellung einer ambivalenten Haltung des lyrischen Ichs aus. Einerseits wird die Schönheit Palermos mit seinen Gärten, Parks, Palästen und der umliegenden Natur gefeiert. Andererseits wird das Leben in der Stadt kritisch betrachtet. Der Dichter erkundet die Umgebung, besteigt Berge und genießt die Natur, erfreut sich am Meer und an der Gesellschaft. Doch der Kontrast zwischen dem Genuss des Schönen und dem Elend der Bettler, der in der Stadt allgegenwärtig ist, lässt ihn nicht unberührt. Diese Ambivalenz spiegelt sich in der gesamten Struktur des Gedichts wider.

Waiblinger integriert in seine Betrachtungen auch das Thema der Freundschaft und des Genusses. Er schätzt die Gesellschaft seiner wohlgesinnten Freunde und den Genuss des „altsikulischen Nektars“. Am Abend kehrt er zur Stadt zurück, wo er die „muntre Gesellschaft“ sucht, die ihm wie „dem Vogel die Luft“ unentbehrlich ist. Das Gedicht endet mit einer schelmischen Bemerkung über die Notwendigkeit eines „Liebchens“ für eine gute Gesellschaft, was die Leichtigkeit und Lebensfreude des Dichters unterstreicht. Insgesamt ist das Gedicht ein facettenreiches Porträt Palermos und des Dichters, der sich darin bewegt.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.