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Sicilianische Lieder (10) – Weine

Von

Endlich wundert ihr euch, ihr begreifet nicht, wie der Sänger
So Verhaßtes, wie er euch im Gedichte bedenkt.
Denn unwürdig, ihr fühlet es selbst, unwürdig der Muse
Seid ihr ja ganz und verdient selber die geißelnde nicht.
Aber weil ihr von Tugend mir prahlt, von Bibel und Sitte,
Weil euch Lust und Genuß stets nur ein Aergerniß ist,
Weil ihr mich täglich verdammt und dem glücklichen Spötter den Bannstrahl,
Den zerstörenden, mir täglich nach Süden verschickt:
So erfreut mir′s das Herz, euch täglich zu ärgern und euch nur
Will ich erzählen wie mir Freuden an Freuden erblühn.
Bachus, ihr kennet ihn nicht, ist stets mein Gefährte geblieben,
Aber als Gott mir gezeigt hat ihn Sicilien erst.
Zweifel plagen auch euch, so erlaubt dem Sänger den Kampf auch,
Welchem trinakrischen Wein werde der köstlichste Preis.
Syrakus, es bietet mir hier auf goldener Schaale
Schon den süßen Muskat, schon Amarina zum Trank.
Nah an den Trümmern auch der palmenreichen Selinus
Hat mich das purpurne Blut näher den Göttern gerückt.
Wo ertönt nicht dein Ruhm, Marsala? Dir gäb′ ich die Krone,
Reichte mir Alcamo schon, reichte Palermo mir nicht
Andern Nektars Entzückungen schon im uranischen Kelche,
Nicht im Kelche, den mir Amor, der lust′ge, kredenzt.
Aber wenn auch der Freund, der treffliche, nimmer vergessne,
Deutschen Herzens, ja werth mehr als ein Deutscher zu sein,
Wenn unermüdlicher Gastfreundschaft der schönen Messina
Gellias mich an die Gluth göttlichen Nektars gewöhnt;
Dennoch sei mir vor allen gelobt, o Traube des Aetna,
Der, wie des donnernden Bergs Lava dem Krater entströmt,
Goldene Ström′ entquellen, begeisternde, sämmtlicher Wunder,
Die der Aetna gebiert, größtes und seligstes du.
Kein Element versagt dir den Kranz; dich kühlet die Meerfluth,
Dich umlächelt des Lichts heiterste, mildeste Kraft;
Dich durchbrennt die Flamme des Bergs, und die Erde, die tausend
Blüthen und Früchte bei dir Frühling und Winter vereint.
Glänze, lieblichstes Gold; es kränzt dich die Myrthe, der Lorbeer;
Der ich dich schlürfe, mir ist Lorbeer und Myrthe gewiß.

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Gedicht: Sicilianische Lieder (10) - Weine von Wilhelm Friedrich Waiblinger

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Sicilianische Lieder (10) – Weine“ von Wilhelm Friedrich Waiblinger ist eine leidenschaftliche Ode an den Wein und ein trotziges Bekenntnis zur Lebensfreude, das sich deutlich gegen eine als spießig empfundene bürgerliche Moralvorstellung richtet. Der Dichter wendet sich an eine Gruppe von Menschen, die er als verbittert und verklemmt wahrnimmt, und provoziert sie mit der Schilderung seiner Freuden am Wein und am Genuss des Lebens.

Die ersten Verse drücken Verachtung für die scheinheiligen Kritiker aus, die dem Dichter seine Lebensweise verübeln. Waiblinger wirft ihnen Heuchelei und das Festhalten an veralteten Tugenden vor. Er konfrontiert sie mit der Schönheit und dem Genuss, die sie ablehnen, und inszeniert sich selbst als einen freudigen Genießer, der sich den Freuden des Lebens, insbesondere dem Wein, hingibt. Die Wahl des Themas, der Wein, dient hier als Metapher für die Freiheit und die Sinnlichkeit, die die Kritiker ablehnen.

Im weiteren Verlauf des Gedichts entfaltet sich eine detaillierte Wein-Verkostung. Waiblinger preist verschiedene sizilianische Weine, von Muskat aus Syrakus bis zu den „goldenen Strömen“ vom Ätna. Die Aufzählung der Weine und der Orte, an denen sie genossen werden, erzeugt ein sinnliches Bild der mediterranen Lebensart. Die Landschaft Siziliens wird mit einbezogen, was die Freude am Wein mit der Schönheit der Natur und der Kultur der Region verbindet. Die abschließende Lobpreisung der Traube vom Ätna als dem „größten und seligsten“ Wein gipfelt in einem enthusiastischen Bekenntnis zum Genuss.

Der Dichter feiert nicht nur den Wein, sondern auch die Freiheit und Ungebundenheit des Genusses. Die Sprache des Gedichts ist reich an Bildern und Metaphern, die die Sinnlichkeit und die Freude am Leben unterstreichen. Waiblinger verbindet dabei gekonnt die äußere Welt des Weins mit der inneren Welt der Gefühle und Emotionen. Das Gedicht ist ein Aufschrei gegen eine als engstirnig empfundene Moral und ein Plädoyer für die Freiheit, das Leben in vollen Zügen zu genießen.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.