Sei einsam, treibt dich dein Gemüth
Sei einsam, treibt dich dein Gemüth
Dich selber zu bezwingen!
Sei einsam, wenn dein Herz erglüht
Ein höchstes zu vollbringen!
Doch einsam fliehn aus der argen Welt
Weil du dich dünkst gerechter,
Nur deinem lieben Selbst gesellt,
Das macht dich alle Tag schlechter.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Sei einsam, treibt dich dein Gemüth“ von Otto Roquette thematisiert die Notwendigkeit der Selbstbeherrschung und die Gefahren der Isolation, insbesondere im Hinblick auf moralische Entwicklung und zwischenmenschliche Beziehungen. Der Autor adressiert den Leser direkt und fordert ihn in den ersten beiden Versen auf, die Einsamkeit aktiv zu suchen, wenn er sich selbst bezwingen oder eine wichtige Aufgabe vollbringen möchte. Diese Aufforderung suggeriert, dass Einsamkeit in bestimmten Situationen, insbesondere bei der Selbstreflexion oder bei der Verfolgung anspruchsvoller Ziele, eine positive und sogar notwendige Bedingung sein kann.
Die zweite Strophe stellt diesem positiven Bild der Einsamkeit eine warnende Gegenüberstellung gegenüber. Hier wird vor der Isolation als Flucht vor der Welt gewarnt, besonders wenn diese Flucht aus dem Gefühl der Überlegenheit über andere resultiert. Die Zeile „Nur deinem lieben Selbst gesellt“ deutet auf eine Selbstzentriertheit hin, die zu einer moralischen Degeneration führen kann. Die Betonung auf „schlechter“ am Ende des Gedichts verstärkt diese Warnung. Es impliziert, dass die ständige Beschäftigung mit dem eigenen Ich, ohne den Austausch und die Auseinandersetzung mit anderen, zu Selbstüberschätzung und letztendlich zu einem negativen Einfluss auf die eigene Entwicklung führen kann.
Die Struktur des Gedichts spiegelt diese Dualität wider. Die ersten vier Verse sprechen von der Einsamkeit als Mittel zur Selbstverbesserung und zur Erreichung hoher Ziele. Die zweite Hälfte des Gedichts, beginnend mit „Doch“, markiert einen klaren Übergang und eine Abkehr von dieser positiven Konnotation. Dieser Wechsel unterstreicht die Warnung vor der negativen Seite der Einsamkeit und der Selbstbezogenheit. Die Reimstruktur und der gleichmäßige Rhythmus erleichtern das Verständnis der Botschaft und verstärken ihre Überzeugungskraft.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Roquettes Gedicht eine differenzierte Auseinandersetzung mit dem Konzept der Einsamkeit darstellt. Es hebt die Bedeutung der Selbstreflexion und die Notwendigkeit hervor, sich in bestimmten Situationen in die Einsamkeit zurückzuziehen, betont aber gleichzeitig die Gefahren der Isolation, insbesondere wenn sie durch Arroganz und eine daraus resultierende Selbstbezogenheit motiviert ist. Die Botschaft ist eine Warnung vor der Selbstüberschätzung und eine Mahnung zur Auseinandersetzung mit der Welt und den Menschen, um eine gesunde moralische und persönliche Entwicklung zu gewährleisten.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.