Sahst du das wunderbare Bild von Brouwer?
Sahst du das wunderbare Bild von Brouwer?
Es zieht dich an, wie ein Magnet.
Du lächelst wohl, derweil ein Schreckensschauer
Durch deine Wirbelsäule geht.
Ein kühler Dokter öffnet einem Manne
Die Schwäre hinten im Genick;
Daneben steht ein Weib mit einer Kanne,
Vertieft in dieses Mißgeschick.
Ja, alter Freund, wir haben unsre Schwäre
Meist hinten. Und voll Seelenruh
Drückt sie ein andrer auf. Es rinnt die Zähre,
Und fremde Leute sehen zu.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Sahst du das wunderbare Bild von Brouwer?“ von Wilhelm Busch ist eine Reflexion über das gleichnamige Gemälde des flämischen Malers Adriaen Brouwer, das eine Szene medizinischer Behandlung darstellt. Busch nutzt das Bild als Ausgangspunkt, um über menschliches Leid, Verletzlichkeit und die Rolle von Beobachtern nachzudenken. Die ersten vier Verse etablieren die Faszination des Betrachters durch das Gemälde, wobei der Kontrast zwischen Anziehungskraft und Unbehagen die Ambivalenz des Themas hervorhebt.
Der zweite Abschnitt beschreibt detaillierter die Szene des Gemäldes: einen Arzt, der eine Geschwulst am Hals eines Mannes öffnet, während eine Frau mit einer Kanne danebensteht. Busch konzentriert sich auf die physische und emotionale Intimität des Ereignisses, die das Gemälde auszeichnet. Die Beschreibung der Szene dient als Anknüpfungspunkt für die weitere Reflexion, indem sie das menschliche Elend und die menschliche Hilflosigkeit veranschaulicht.
In den letzten vier Versen weitet Busch die Bedeutung des Gemäldes auf eine allgemeine Aussage über das menschliche Dasein aus. Er vergleicht die Schwäre im Genick des Mannes mit den seelischen Leiden, die jeder Mensch in seinem Leben trägt. Der Verweis auf einen „andern“, der diese Schwäre „drückt“, deutet auf die Rolle anderer Menschen in der Verarbeitung unseres Leids hin, sei es durch Unterstützung oder durch bloße Beobachtung. Die Tränen und die zuschauenden „fremden Leute“ unterstreichen die öffentliche Natur des Leidens und die damit verbundene Scham und Verletzlichkeit.
Busch verbindet somit die spezifische Darstellung im Gemälde mit universellen Erfahrungen des menschlichen Schmerzes und der Verletzlichkeit. Das Gedicht thematisiert die Beobachtung des Leidens, die Rolle von Hilfe und Unterstützung sowie die öffentliche Natur von Schmerz. Es reflektiert über die Ambivalenz von Faszination und Abscheu, die mit der Betrachtung von Leid einhergehen, und erinnert an die menschliche Fähigkeit, sowohl Leid zu erleiden als auch Zeuge davon zu sein. Das Gedicht ist somit eine tiefgründige Auseinandersetzung mit der menschlichen Kondition.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.