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Wo sind die Lerchen hingeflogen

Von

Wo sind die Lerchen hingeflogen,
die sonst den jungen Tag begrüßt?
Hoch schweben sie am Himmelsbogen,
von Morgenlüftchen wach geküßt:
Es floß ein Regen süßer Lieder
herab auf die beglückte Welt,
und alle Herzen tönten wieder,
und jedes fühlte sich ein Held.

Jetzt schweigt die Flur! – Lautlose Schwüle
liegt ausgegossen weit und breit,
die Willkür ruht auf seidnem Pfühle
und freut sich ihrer Sicherheit:
Als hätte mit den freien Kehlen
sie auch die Herzen stumm gemacht!
Als schwiegen zitternd alle Seelen,
weil sie die Lippen überwacht!

Ich aber sah die Wolken steigen,
und Blitze zucken um den Turm –
Ja, es ist wahr! Die Lerchen schweigen,
allein sie schweigen – vor dem Sturm!
Ihr habt das Lied nicht hören wollen,
euch hat die Lerche nichts gelehrt:
Wohlan, so wird der Donner rollen,
und statt der Saite klirrt das Schwert!

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Gedicht: Wo sind die Lerchen hingeflogen von Robert Eduard Prutz

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Wo sind die Lerchen hingeflogen“ von Robert Eduard Prutz beschreibt eine dramatische Wendung von Harmonie zu Unruhe und stellt eine Warnung vor den Folgen des Vergessens und der Ignoranz. Zu Beginn wird das Bild der fröhlichen Lerchen verwendet, die den Tag mit ihrem Gesang begrüßen. Ihr Lied symbolisiert Freude und Leben, der Regen süßer Lieder verleiht der Welt einen Zustand des Glücks, in dem alle Herzen sich stark und heroisch fühlen.

Doch dieses Bild der Freude und Leichtigkeit wird abrupt gestört. Die Lerchen schweigen, und die Landschaft ist von einer drückenden, heißen Schwüle erfüllt. Die „Willkür“ herrscht, die Freiheit und der lebendige Gesang der Natur sind erstickt. Die Stille und das Schweigen der Lerchen spiegeln die Unterdrückung und das Schweigen der Menschen wider, die in einem Zustand der Passivität und Kontrolle leben. Die „zitternden Seelen“ deuten auf eine lähmende Angst hin, die sich vor der Macht des Verborgenen und Bedrohlichen verbeugt.

Das Gedicht endet mit einer düsteren Vorahnung. Der lyrische Sprecher sieht die Wolken aufziehen und die Blitze zucken um den Turm. Diese Naturgewalten stehen für einen bevorstehenden Sturm, sowohl im wörtlichen als auch im metaphorischen Sinn. Der Verweis auf die Lerchen, die „vor dem Sturm schweigen“, lässt darauf schließen, dass das Schweigen und die Untätigkeit der Menschen die kommenden Schwierigkeiten und Konflikte heraufbeschwören.

Prutz nutzt hier die Metapher der Lerchen und des Lieder singens als Symbol für das Leben und die Freiheit, die in einer Zeit der Stille und des Schweigens verloren gehen. Der Übergang von einem harmonischen Zustand zu einem drohenden Sturm steht für die unvermeidliche Konsequenz des Verdrängens von Problemen und der Unterdrückung von freiem Ausdruck. Der „Donner“ und das „Schwert“ am Ende symbolisieren die Macht des Konflikts, die durch das Schweigen und das Nicht-Handeln ausgelöst wird.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.