Um Mitternacht
Um Mitternacht in ernster Stunde,
Tönt oft ein wundersamer Klang:
‚S ist wie aus liebem Muttermunde
Ein freundlich tröstender Gesang.
In süßen, unbelauschten Thränen
Löst er des Herzens bange Pein,
Und alles unmuthvolle Sehnen
Und allen Kummer wiegt er ein.
Als käm‘ der Mai des Lebens wieder,
Regt sich’s im Herzen wunderbar:
Da quillen Töne, keimen Lieder,
Da wird die Seele jung und klar.
So tönt das stille Läuten,
Doch ich versteh‘ die Weise nie,
Und nur mitunter möcht‘ ich’s deuten
Als wär’s der Kindheit Melodie.
Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Um Mitternacht“ von Robert Eduard Prutz beschreibt eine mystische Erfahrung, bei der in der Dunkelheit der Mitternacht ein wundersamer Klang ertönt, der eine tiefe, emotionale Wirkung auf den Hörer hat. Zu Beginn wird dieser Klang als etwas Tröstendes und Freundliches beschrieben, das „wie aus liebem Muttermunde“ kommt und die „bange Pein“ des Herzens lindert. Diese Beschreibung verleiht dem Klang eine fast mütterliche, fürsorgliche Qualität, die für den Sprecher ein Gefühl von Geborgenheit und Trost vermittelt.
Der Klang scheint eine heilende Wirkung zu haben, die „unbelauschten Thränen“ in süße Lieder verwandelt und das „unmuthvolle Sehnen“ beruhigt. Diese Passage deutet darauf hin, dass der Klang eine Form der Erleichterung von innerem Schmerz und Kummer bietet. Es ist, als würde der Klang die Last der emotionalen Schwere nehmen und eine Form der inneren Reinigung und Befreiung ermöglichen. Dies kann als ein Symbol für die Fähigkeit der Musik oder der Kunst insgesamt interpretiert werden, in Momenten der Verzweiflung Trost zu spenden.
Im weiteren Verlauf des Gedichts wird der Klang mit einem erneuten Frühling des Lebens verglichen. Der „Mai des Lebens“ bringt neues Wachstum, und der Klang ist eine Quelle der Verjüngung und Klarheit. Die „Töne“ und „Lieder“ lassen das Herz wieder erblühen, wodurch das Gedicht eine Wendung hin zur Hoffnung und Erneuerung nimmt. Dieser Abschnitt verleiht dem Klang eine beinahe magische Qualität, die das Verblassen der Jugend und die Wiederbelebung der Lebensfreude widerspiegelt.
Am Ende des Gedichts bleibt der Klang jedoch ein Rätsel für den Sprecher. „Ich versteh‘ die Weise nie“, gibt er zu, und so bleibt die Bedeutung des Klangs unklar. Der Hinweis auf die „Kindheit Melodie“ lässt vermuten, dass der Klang an eine verlorene oder vergangene Zeit erinnert – möglicherweise an die Unschuld und die Klarheit der Kindheit, die nie ganz erfasst werden kann. Der Klang bleibt ein mysteriöser Trostspender, dessen Ursprung und wahre Bedeutung für den Sprecher unerreichbar bleiben, aber dennoch eine tief emotionale Wirkung auf ihn ausüben. Das Gedicht vermittelt eine Mischung aus Trost und Melancholie, indem es die Schönheit und zugleich die Unverständlichkeit von Erfahrungen darstellt, die mit der Musik des Lebens verbunden sind.
Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.
Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.