Liebe
Was die Liebe kann begehren,
Liebe darf es frei gewähren.
Was von Liebe ward verschuldet,
gern von Liebe wird’s geduldet.
Alles Fehlen, alles Irren
Liebe weiß es zu entwirren;
trägt mit seliger Gebärde
alle Not und Schuld der Erde;
am Geliebten jeden Flecken
weiß sie sorgsam zu verdecken;
ja, ihn völlig freizusprechen,
lächelnd teilt sie sein Verbrechen.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Liebe“ von Robert Eduard Prutz beschreibt die allumfassende, vergebende und heilende Natur der Liebe. In der ersten Strophe wird Liebe als eine Kraft dargestellt, die nicht nur erträgt, sondern auch gewährt. „Was die Liebe kann begehren, / Liebe darf es frei gewähren“ zeigt, dass die Liebe nicht von äußeren Bedingungen oder Einschränkungen abhängt, sondern sich selbst ermächtigt, alles zu erlauben, was ihr begehrenswert erscheint. Diese Vorstellung vermittelt eine Idee von bedingungsloser Akzeptanz, in der die Liebe ihren eigenen Maßstab setzt und nicht auf gesellschaftliche Normen oder Regeln Rücksicht nehmen muss.
In der zweiten Strophe wird die Vergebungsbereitschaft der Liebe thematisiert. Sie wird als eine Kraft beschrieben, die sowohl „verschuldet“ als auch „geduldet“ – also sowohl Fehler als auch Unvollkommenheiten – anerkennt. Liebe ist hier keine ständige Quelle der Anklage, sondern eine, die mit Geduld und Nachsicht über Fehltritte hinwegsehen kann. Sie weiß, wie sie „alles Fehlen, alles Irren“ entwirren kann, was bedeutet, dass sie in der Lage ist, Unklarheiten, Missverständnisse und Fehler aufzulösen und zu heilen. Dies verstärkt das Bild von Liebe als einer universellen und heilenden Kraft, die nicht nur das Gute, sondern auch das Unvollkommene umfassen kann.
In der dritten Strophe wird die Selbstaufopferung der Liebe thematisiert, die „mit seliger Gebärde / alle Not und Schuld der Erde“ trägt. Die Liebe wird hier als eine gewaltige, aber gleichzeitig sanfte Kraft beschrieben, die das Leid und die Lasten der Welt auf sich nimmt. Sie ist in der Lage, selbst die größten Lasten zu tragen und dabei noch Schönheit und Anmut zu bewahren. Dies unterstreicht die Idee der Liebe als eine Kraft, die über das persönliche Wohl hinausgeht und die gesamte menschliche Existenz mit ihren Fehlern und Unvollkommenheiten umfasst.
In der letzten Strophe wird die Liebe als diejenige beschrieben, die mit „sorgsam“ jedem Makel des Geliebten umgeht und ihn zu verdecken weiß. Sie schützt den anderen, indem sie dessen „Flecken“ (Fehler oder Unvollkommenheiten) verbirgt. Noch weiter geht die Liebe, indem sie den Geliebten sogar „völlig freispricht“ und ihm mit einem Lächeln das „Verbrechen“ teilt. Dieses Bild verstärkt die Vorstellung von Liebe als einer völlig selbstlosen Kraft, die dem anderen nicht nur nachsieht, sondern ihm auch in seiner größten Unvollkommenheit beisteht und ihn nicht verurteilt. Liebe ist hier keine moralische Instanz, sondern eine, die bedingungslos unterstützt, sogar in den dunklen Momenten des Lebens.
Das Gedicht hebt somit die idealisierte, vergebende und selbstlose Natur der Liebe hervor, die sich nicht von Fehlern, Mängeln oder Schuld abschrecken lässt, sondern diese umarmt und sie mit Geduld und Mitgefühl bearbeitet. Liebe wird hier als eine schützende, heilende und verzeihende Kraft dargestellt, die den anderen nicht nur in seinen besten Momenten, sondern auch in seinen schwachen und fehlerhaften Aspekten liebt.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.