Raststätte
Ich weiß eine Kirche;
hochschlanke Säulen
tragen ihr köstliches Dach.
Nach Ewigkeit riechts
in ihrer Halle,
nach feuchtem Moder
und verborgenen Narzissen.
Liebfromme Sänger
singen Cantaten,
und amt den hohen
luftigen Thoren
wachen Winde
mit geschlossenen Flügeln.
Über den Säulen aber
Sah ich walten
das herrlichste Gnadenbild:
Die Morgensonne
tränkte die durstigen Wipfel der Bäume
mit frischen Quellen
stärkenden Lichts …
O Wald, Wald,
du von heimlichen Liebesworten Gottes
Erklingender!
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Raststätte“ von Maria Janitschek beschreibt in einer ruhigen, fast kontemplativen Weise eine Kirche und ihre Umgebung, wobei die Atmosphäre von Ewigkeit, Stille und göttlicher Präsenz geprägt ist. Der erste Abschnitt konzentriert sich auf die physischen Elemente der Kirche, wie die hoch aufragenden Säulen und das „köstliche Dach“. Die Nennung von „feuchtem Moder“ und „verborgenen Narzissen“ deutet auf eine gewisse Vergänglichkeit, aber auch auf verborgene Schönheit und die Präsenz des Lebens, das im Verborgenen gedeiht. Die Beschreibung der Kirche als Ort, der nach Ewigkeit riecht, vermittelt einen Eindruck von Zeitlosigkeit und spiritueller Tiefe.
Der zweite Abschnitt führt die Atmosphäre der Stille und Andacht weiter. Die „liebfrommen Sänger“ und ihre Cantaten verstärken den Eindruck der Heiligkeit und des Lobpreises. Die „amt den hohen / luftigen Thoren / wachen Winde / mit geschlossenen Flügeln“ erzeugen ein Bild von behüteter Stille und Ruhe, als ob die Natur selbst in Ehrfurcht verharrt. Dieser Abschnitt verstärkt das Gefühl der inneren Einkehr und der spirituellen Erhebung. Die Winde, mit geschlossenen Flügeln, scheinen die äußere Unruhe zu bannen und eine Atmosphäre der vollkommenen Harmonie zu schaffen.
Der dritte Abschnitt wechselt die Perspektive, indem der Blick auf ein „herrlichstes Gnadenbild“ gerichtet wird, das die Morgensonne darstellt. Diese Sonne tränkt die durstigen Baumwipfel mit „frischen Quellen / stärkenden Lichts“. Hier wird ein starkes Bild von Erneuerung und Leben evoziert, wobei die Sonne als Quelle der Gnade und des Lebens dargestellt wird. Der Kontrast zwischen der stillen, sakralen Atmosphäre der Kirche und der lebendigen, erneuernden Kraft der Natur wird durch dieses Bild verstärkt.
Das Gedicht endet mit einer direkten Ansprache an den Wald, der als „von heimlichen Liebesworten Gottes / Erklingender“ bezeichnet wird. Diese Zeile ist der Schlüssel des Gedichts. Sie verbindet die stillen Momente in der Kirche mit der lebendigen Natur und suggeriert, dass Gott sowohl in der Stille des Gebets als auch in der Lebendigkeit der Natur zu finden ist. Der Wald ist hier nicht nur ein Ort, sondern ein aktiver Träger der göttlichen Botschaft, ein Ort, an dem die Liebe Gottes widerhallt und die Botschaft Gottes erklingt. Das Gedicht schließt mit einem Lobpreis auf die Gegenwart Gottes, die sowohl im Inneren der Kirche als auch in der äußeren Welt erfahren werden kann.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.