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Waldesruh

Von

Siehe, da ruhet Das
Und ist alles.
Saft träumt.
Prinzeßlein spielt
Und weiß von keinem Schloß,
Von Morgen nicht und Abend.
Männlein schlagen Purzelbaum,
Drollig vergrämte
Purzelbäume schlagen sie
Über braunweitgreifende Wurzeln.
Und essen Wurzeln,
Trinken Quell,
Und schlafen zwischen Wurzeln in Nischen.
Listig behutsam, tappen beschleichende Finger
Lichtlang die schlanken grauen Stämme,
Die Zweige spannen.

Was war das?
Ein Dunkles?
Nur ein Gedanke.
Wie gar heiter ruht das Blau
Wie das was ist.

Verwunderte Gegend lieblicher Ode,
Bangen,
Wohliges Drängen,
Frühes Fleisch
Duftiges Erliegen.
Graue zottige Bärte fahren
Über zerrieseltes Leuchten,
Stöhnende Wonne des Wachseins
Ein rauschendes Duften:
All das perlende Moos.

Vier Schwingen tauschen
In blauen Bahnen
Ein rüstiger Anruf
Beieinander,
Fort sind beide –
Da –
Dort!

Pfade spielen,
Warnender Pfiff,
Springende Bogen,
Ein Strom von Hirschen
Raschelt tiefer hinab.
Ein spähender Pfeil,
Trifft sie das schauende Licht
Meines heiligen Auges.

Herbsthoher Dom
Hohe Weihrauchscheine,
Leuchtende Geister
Schwingen leicht
Hin die prallen, blauen Strahlen.
Eine graue Leiche
Halten sie hochgebahrt
Und singen Requiem…

Heiter ruhet,
Heiter ruhet das Blau,
Wie was ist,
Taten schlummern
Immer.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Waldesruh von Peter Hille

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Waldesruh“ von Peter Hille entfaltet eine geheimnisvolle und meditative Naturstimmung, die zwischen märchenhafter Idylle und mystischer Tiefe oszilliert. Die Natur wird als ein ruhender, geschlossener Kosmos dargestellt, in dem „alles“ zur Ruhe gekommen ist. Gleich zu Beginn verweist die Zeile „Siehe, da ruhet Das / Und ist alles“ auf eine pantheistische Weltsicht, in der das Sein selbst in der stillen Natur gegenwärtig ist. Das Bild vom „träumenden Saft“ und den „Männlein“, die verspielt durch den Wald purzeln, betont eine kindliche, fast mythische Leichtigkeit und Nähe zur Natur.

Der Wald erscheint als ein Ort jenseits der alltäglichen Zeit. Die „Purzelbäume“ über die „braunweitgreifenden Wurzeln“ und das Leben im Einklang mit Wasser, Wurzeln und Schlaf in Erdnischen betonen eine archaische, fast urzeitliche Existenzform. Gleichzeitig gibt es auch eine Ahnung von Gefahr und Dunkelheit, wenn von „tappenden Fingern“ und einem „Dunklen“ die Rede ist – doch auch dies wird als „nur ein Gedanke“ relativiert, wodurch der Text das Wechselspiel zwischen Angst und heiterer Gelassenheit thematisiert.

Im Mittelteil entwickelt sich die Szenerie zu einer atmosphärisch dichten Naturbeschreibung. Das „perlende Moos“ und die „stöhnende Wonne des Wachseins“ zeigen eine sinnenfreudige Wahrnehmung des Waldes. Die Natur ist hier nicht nur Kulisse, sondern ein lebendiges Wesen voller Duft, Licht und Bewegung. Auch Tierwelt und Jagd kommen ins Spiel: Hirsche, die fliehen, ein „spähender Pfeil“, das „heilige Auge“ des lyrischen Ichs – dies deutet auf eine archaische Verbindung zwischen Mensch und Natur hin, in der Beobachten und Jagen noch eins sind.

Im letzten Abschnitt steigert sich das Bild zu einer fast sakralen Vision: Der „Herbsthohe Dom“ verweist auf eine Kathedrale aus Bäumen und Licht, in der „leuchtende Geister“ eine „graue Leiche“ hochhalten und ein „Requiem“ singen. Diese Szene verbindet die Natur mit religiöser Symbolik und einer Ahnung von Vergänglichkeit. Doch trotz dieser Schwere bleibt das Gedicht von einer übergeordneten Gelassenheit durchzogen: „Heiter ruhet das Blau“ wiederholt sich als abschließendes Mantra, das die große Ruhe und Zeitlosigkeit des Waldes beschreibt. So vereint „Waldesruh“ eine friedvolle Naturbetrachtung mit einem tiefen Nachdenken über Leben, Tod und das Sein selbst.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.