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Wachstum

Von

Ich will nun innerer Herrscher werden.
Mag Inneres mich als Sklave schlau umschleichen.
Es stockt der Schritt, so nur sich etwas regt.
Da draußen, wo nicht reicht das Sein.
Also weiter wachsen!
Haben’s gut die Pflanzen!
Weh und quälend wächst, was ein Mensch ist, in sich hinein.
Immer mehr hinein. Nicht hinaus wie die Pflanzen.
Wie eine Traumeswand mit Händen unserer Seele wir schieben. –
Aus grellem, fürchterlichem Urgebilde.
Da sollen wir denn hausen, in rundergossenem Kerker.
Eingekerkert.
Und nun freie klare Luft der großen Wirklichkeit.
O Traum, du furchtbar naher Nachbar.
Und wild, ganz anderer.
Und was werden dann für andere kommen. –
O Welt, bist du furchtbar:
Denn du hast einen Sinn.
Und den erfüllst du und marterst uns zu deinem Leben.
Und darum Geschlechtsfeste, denen Fleisch wächst.
So, nun, ihr schweren, scheuen Kymren Schöße,
Sollt ihr euch schwingen wie üppig bleiche Sterne,
Wie Anemonenseelen.
Äolsharfenglutend.
Maskenzug.
Cider.
Wollt ihr Cider dazu trinken?
Ernst berauscht sollt ihr Kinder wollen,
Nichtsverhohlen, verstohlen, insgeheim.
Nein, Kinder des Volkes. –
Zugewollt; wie einen Becher euch dem Vaterlande zugetragen.
Der heilige Gral.
Und wollt ihr nicht?
Wollt ihr nicht die Wonneströme durch eures
Lebens Ströme fließen lassen, so lebt euch geistig,
Frei und geistig aneinander hoch.
Und fallt ihr:
Nicht gar so schlimm,
So fallt auf Blumen ihr und Kräuter hin.
Und eine Nachtigall fliegt weg.
Und sprengt ein paar Wipfel weiter ihr Liederherz.
Des Dichters weihefarbne Sehnsucht
Sind die Erfüllung der Völker, das Lied der Welt.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Wachstum von Peter Hille

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Wachstum“ von Peter Hille thematisiert den inneren Reifeprozess und die oft schmerzvolle Entwicklung des Menschen im Kontrast zum natürlichen, unbewussten Wachstum der Pflanzenwelt. Bereits der erste Vers „Ich will nun innerer Herrscher werden“ markiert den Anspruch des lyrischen Ichs, Kontrolle über das eigene Innere zu gewinnen. Doch dieser Weg ist von Konflikten geprägt: Das Innere wird als listiger „Sklave“ beschrieben, der den Menschen umschleicht und behindert. Der Mensch wächst, anders als die Pflanzen, nicht nach außen in die Welt, sondern „in sich hinein“, was mit Qual und innerem Druck verbunden ist.

Hille stellt die Natur als einfacher und friedlicher dar, während der Mensch mit der Last seines Bewusstseins ringt. Die „Traumeswand“, die das Ich mit den „Händen unserer Seele“ zu verschieben versucht, steht symbolisch für die Grenzen zwischen Traum, Unbewusstem und Realität. Das Bild vom „Kerker“ verdeutlicht die Enge des menschlichen Daseins, das im Kontrast zur „freien klaren Luft“ der äußeren Welt steht. Dabei ist der „Traum“ gleichzeitig nah und fremd – eine wilde, andere Realität, die den Menschen sowohl bedroht als auch fasziniert.

In einer weiteren Wendung verbindet Hille das individuelle Wachstum mit dem kollektiven Auftrag der Menschheit. Die Welt wird als grausam und fordernd geschildert, weil sie „einen Sinn“ hat und diesen erfüllt – selbst wenn es Leid bedeutet. Aus diesem Verständnis heraus ruft das lyrische Ich zu einer bewussten, schöpferischen Haltung auf: Das Bild von „Geschlechtsfesten“ und der Sehnsucht nach „Kindern des Volkes“ verweist auf die Verantwortung, neues Leben bewusst und kraftvoll zu bejahen. Der „heilige Gral“ steht dabei symbolisch für diese Hingabe an das Leben und das Gemeinwohl.

Trotz aller Ernsthaftigkeit schlägt das Gedicht zum Ende hin leichtere Töne an. Es ermutigt dazu, auch das Scheitern nicht zu fürchten: „So fallt auf Blumen ihr und Kräuter hin“ vermittelt die Vorstellung, dass auch ein Sturz von einer natürlichen, tröstlichen Welt aufgefangen wird. Die „Nachtigall“, die weiterzieht, steht für die fortwährende Poesie und das Weiterleben der Schönheit trotz des individuellen Endes. Die abschließende Vision verweist auf die Dichter, deren „weihefarbne Sehnsucht“ die kollektive Erfüllung der Völker anstrebt – ein Ideal von Dichtung als geistige und kulturelle Erneuerung der Welt.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.