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Ode an die Zeit

Von

Sei mir gegrüßt, o Zeit,
Gegrüßt du fließendes Meer,
Sei gegrüßt,
Du Meer der Zeit!

Ungestadet
Rollst du dahin,
Fällst erzener Woge,
Schnellst wie ein Pfeil
Hinein in der Zukunft
Nichtigen Raum.
Es rollten die Welten
Aus Schöpferhand
Ins endlose Blau,
Da kommst du geglitten
Von Fingern der Allmacht
Im Riesensturz,
Wogtest unter das Sonnen-
Unter das Erdenheer.
Sausend vom Gottespuls,
Hobest dich stolz
Unter glänzenden Sphären
Und rolltest sie weiter,
Schwimmende Inseln,
Rollst sie noch jetzt.
Auf erster erobernder Welle
Trägst du die Welten,
Trägst du mich,
Trägst du mein Lied.
Auf deiner Wogen Erster
Schwebt es dahin.
Höre das Lied
Und hebe mich,
Wenn sinken ich sollte
Auf Ruhmeswarte
Flutüberragendem Fels,
Hoch und fest
Ob Wogen und Schwinden.

Es kommt und schwindet
Steten Wechsels,
Jede Sekunde
Ein anderes Leben.

Sonnenkreise
Wandelt die Erde,
Mondumwandelt.
Verschlungen geregelte Bahnen
Rollt mit Kreisen um Kreise
Das funkelnde All,
Bis es vergeht,
Mit dem letzten Stäubchen verweht.
Und neue Welten,
Meer der Zeit,
Schaukelt die Woge:
Staub umwölkt die Marke,
Die eherne Marke,
Die Gott gesetzt.
Und wieder bildet
Und immer wieder
Die Gotteshand
Dem ewigen Auge
Vors unendliche Nichts
Das Spielzeug der Welt,
Kaum daß in kurzer Lücke
Erhabener Öde
Auf den Riesenspiegeln
Du dich weiterergossen.
Und alle die Welten
Trägst du
Auf atlantischem Rücken –
Und wirst nicht müd?

Wann o wann
Schäumst du hinauf,
Verschäumest am Strande der Ruh?

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Gedicht: Ode an die Zeit von Peter Hille

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Ode an die Zeit“ von Peter Hille ist eine hymnische, von Natur- und Kosmosbildern durchzogene Betrachtung der Zeit als gewaltige, alles umfassende Kraft. Die Zeit erscheint hier als „fließendes Meer“, das unaufhaltsam und mächtig durch das Universum strömt. Die Wellenmetapher zieht sich durch das gesamte Gedicht und verleiht der Zeit eine organische, unaufhörlich bewegte Qualität. Sie ist sowohl ein Medium der Bewegung als auch Träger der Schöpfung.

Hille beschreibt die Zeit als eine ursprüngliche, von „Fingern der Allmacht“ gelenkte Kraft, die selbst die „Welten“ seit dem Anbeginn trägt und vorantreibt. In der Bildsprache wird der Kosmos zu einer dynamischen Szenerie: Die Zeit „rollt“ die Planeten und Sterne „wie schwimmende Inseln“ durch das All. Das lyrische Ich sieht sich selbst und sein „Lied“ ebenfalls als Teil dieser gewaltigen Strömung und bittet darum, von der Zeit „hoch und fest“ auf einem Felsen des Ruhms über den „Wogen und Schwinden“ gehalten zu werden – ein Bild für den Wunsch nach Beständigkeit im Angesicht der Vergänglichkeit.

Das Gedicht thematisiert den ständigen Kreislauf von Werden und Vergehen. Die „Sekunde“ steht für die Flüchtigkeit des Lebens, während die „verschlungen geregelten Bahnen“ der Gestirne eine kosmische Ordnung beschreiben, die dennoch dem Verfall unterworfen ist. Hille zeichnet damit ein Bild der Zeit als unermüdliche Kraft, die Welten formt und wieder zerstört, ohne selbst zu ermüden. Die Frage am Ende, wann diese Zeit „am Strande der Ruh“ versiegen könnte, bleibt offen und verweist auf die Unergründlichkeit der Zeit und des Universums.

Insgesamt ist „Ode an die Zeit“ eine Mischung aus Naturhymne und philosophischer Reflexion über Vergänglichkeit, Ewigkeit und das Eingebundensein des Menschen in einen größeren, kosmischen Zusammenhang. Die Sprache ist feierlich und bildreich, ganz im Sinne einer klassischen Ode, die sich der Ehrfurcht vor der Größe der Zeit widmet.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.