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Brautseele I

Von

Das Gewand meiner Seele zittert im Sturm deiner Liebe,
Wie tief im Hain
Das Herz des Frühlings zittert.
Ja du mein heftiges Herz: wir haben Frühling.
Auf einmal ist nun alles Blühen da.
Meine freudigen Wangen
Sind aufgegangen
Fromm nach deinen Küssen.
Gefährlich bist du, o Frühling,
Und verwirrt
Wie von heftiger Süße
Prangenden Weines
Pocht meine Seele.
Wie er so sonnend mich streichelt
Mit seinen Strahlen allen
Und schlafen möchte ich
Immerzu.

So träume ich vom eigenen Blute
Und bin so wach
Von mir.
So erschrocken
Wie man wohl aufhorcht
Im flüsternden Herzen der Nacht.

Wie Sterne, die nicht schlafen können,
So stehen meine Augen,
Und bin doch so müde, müde, so sonderbar müde.
Sind wir Mädchen nicht alle so sonderbar müde
Um diese Zeit?
Das macht, du bist um uns,
Du bist ein Zauberer:
Ja, ja das bist du,
Ein echter, rechter Zauberer.
In Bäume und Menschen zauberst du ein Sehnen und Dehnen,
Ein müdes verlangendes Gähnen.

Ja, ja, ihr Mädchenherzen,
Der kennt euch,
Vor ihm kann kein Geheimnis bestehen.
Er ist ja Weib,
Weib wie wir
Und eine heimliche, schelmische Stärke.
Frühling sag‘, was machst du mit uns,
Daß wir alle so sprossend müde sind.
Wir fühlen dich ganz in uns,
Du durchtönst uns,
Tust mit uns ganz das Leben.
Ja wir beben, Leben.
Fromm atmet in uns eine Andacht,
Und wohlig will es werden
Nun überall in der sprossenden Erden.
Wie wir uns regen,
Da ist immer ein leises, süßes Bewegen,
Da ist die Quelle ein rieselnder Spiegel,
Der uns erquickt und uns darreicht,
Da ist der Spiegel eine bleibende Quelle
Und immer wird uns leise
Süß von uns.
So sind wir wartend,
So zeigt es uns
Verrät es uns,
Wie süß wir sind
Für den einen, anderen.

O komm,
Komm zu mir,
Ich bin ja so süß nach dir.
O komm,
Ich bin ja so schön nach dir.
Ich deine Lebendige,
Deine weilende Zier
Vergehe nach dir.
Jeden Tag kommt Alter, kommt Welken:
O komm,
Komm du dem Alter, dem Welken zuvor.

Ein Sehnen geht in allen Blumen
Und will dich holen mit Farben und Duft,
Und alles was schön ist auf dieser Weltwiese
Ist aus Sehnen und Liebe schön.

Lieblich schlau
Üben wir Schönheit
Solange vor euch,
Bis daß ihr kommt;
Schüchtern schelmisch
Spielt sich unsere arme, lodernde Seele
Hin vor euch.

Dann! Dann!
Dann kommen zwei lodernde Sonnen in meinen Tag,
Du mein doppelter Tag!
Mit deinen beiden Sonnen.
Du! Du!

Und deine Hand!

Meines Mundes duftende Blüte
Vergeht vor deiner Güte,
Und meine Wangen
Sind aufgegangen
Wie meine Flechten
Vor deiner Rechten.
Ja du hast Recht,
Glätte sie nur
Du meine wirreglühende Sonne.

Rufe, locke alles heraus
Aus deiner Erde,
Du mein Lenz,
Du hast ja gleich zwei Sonnen
Und eine braucht man nur
Im Himmel.
Und diese beiden Sonnen
Erzählen sich mir,
Wie du aufgewachsen und wo
Gewachsen für mich,
Wie der heilige Wein Palästinas
In seinem heißen schmelzenden Purpur
Den Heiland mir ansagt,
Sein Seelenfrühlicht,
Sein wärmendes Wandeln.
O wie da alles aufsteht,
Feierlich, rauschend, vorbereitend!

O komm
Ich bin ja so schön nach dir!
O laß mich weinen,
Tränen der Braut.
Tränen du Böser,
Daß ich so lange warten mußte auf dich.
Das tut so wohl:
Meine Seele badet,
Dann kommt sie zu dir!
Ja?

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Brautseele I von Peter Hille

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Brautseele I“ von Peter Hille thematisiert die intensive Erfahrung des Frühlings als ein Erwachen von Liebe, Sehnsucht und weiblicher Sinnlichkeit. Das lyrische Ich spricht in der Rolle einer jungen Frau, die sich im Wechsel der Jahreszeit selbst neu erlebt. Der Frühling wird dabei nicht nur als äußere Naturerscheinung, sondern als innerer Zustand geschildert, der die „Brautseele“ in einen Zustand zwischen freudiger Erregung und melancholischer Müdigkeit versetzt. Das Bild des Frühlings dient als Allegorie für das Erwachen erotischer und emotionaler Kräfte.

Hille nutzt zahlreiche Naturmetaphern und personifiziert den Frühling als Zauberer und Verführer. Die „sprossende Erde“ und das „Sehnen“ der Blumen verweisen auf das Erwachen von Leben und Verlangen. Auch die wiederholte Müdigkeit der Mädchen, die „sonderbar müde“ sind, steht sinnbildlich für die Überwältigung durch das Aufblühen der Sinne, das zwischen Erschöpfung und Lust changiert. Die Natur und die Körper der Mädchen scheinen in einem geheimnisvollen Dialog zu stehen, geprägt von Erwartung und Verlangen nach Erfüllung.

In der zweiten Hälfte des Gedichts steigert sich die Bildsprache in eine fast ekstatische Sehnsucht nach Vereinigung. Die Bitte „O komm, komm zu mir“ richtet sich an den Geliebten, der zugleich auch mit dem Frühling verschmilzt. Der Geliebte wird zum doppelten Tag mit „zwei Sonnen“, was eine starke Steigerung der Lebens- und Liebesintensität symbolisiert. Zugleich schwingt eine Ahnung von Vergänglichkeit mit, etwa wenn vom „Alter“ und „Welken“ die Rede ist, gegen das nur die Erfüllung der Liebe helfen kann.

Sprachlich ist das Gedicht reich an Anaphern („O komm“) und Wiederholungen, die das Drängen und das ungeduldige Warten des lyrischen Ichs verstärken. Auch die Mischung aus innigen Naturbildern und einer direkten, fast kindlichen Anrede („Du Böser“) verleiht dem Gedicht eine naive, zugleich aber auch leidenschaftlich-innere Spannung. „Brautseele I“ vereint so Naturmystik, weibliche Empfindung und die Darstellung von Liebe als naturhaftes, alles durchdringendes Erlebnis.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.