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Ich steh an deiner Krippen hier

Von

Ich steh an deiner Krippen hier,
O Jesulein, mein Leben;
Ich komme, bring und schenke dir,
Was du mir hast gegeben.
Nimm hin, es ist mein Geist und Sinn,
Herz, Seel und Mut, nimm alles hin
Und laß dir’s wohlgefallen.

Du hast mit deiner Lieb erfüllt
Mein Adern und Geblüte,
Dein schöner Glanz, dein süßes Bild
Liegt mir ganz im Gemüte.
Und wie mag es auch anders sein:
Wie könnt ich dich, mein Herzelein,
Aus meinem Herzen lassen!

Da ich noch nicht geboren war,
Da bist du mir geboren
Und hast mich dir zu eigen gar,
Eh ich dich kannt, erkoren.
Eh ich durch deine Hand gemacht,
Da hast du schon bei dir bedacht,
Wie du mein wolltest werden.

Ich lag in tiefster Todesnacht,
Du warest meine Sonne,
Die Sonne, die mir zugebracht
Licht, Leben, Freud und Wonne.
O Sonne, die das werte Licht
Des Glaubens in mir zugericht’t,
Wie schön sind deine Strahlen!

Ich sehe dich mit Freuden an
Und kann mich nicht satt sehen,
Und weil ich nun nicht weiter kann,
So tu ich, was geschehen.
O daß mein Sinn ein Abgrund wär
Und meine Seel ein weites Meer,
Daß ich dich möchte fassen!

Vergönne mir, o Jesulein,
Daß ich dein Mündlein küsse,
Das Mündlein, das den süßen Wein,
Auch Milch und Honigflüsse
Weit übertrifft in seiner Kraft;
Es ist voll Labsal, Stärk und Saft,
Der Mark und Bein erquicket.

Wenn oft mein Herz im Leibe weint
Und keinen Trost kann finden,
Da ruft mir’s zu: Ich bin dein Freund,
Ein Tilger deiner Sünden!
Was trauerst du, mein Brüderlein?
Du sollst ja guter Dinge sein,
Ich zahle deine Schulden.

Wer ist der Meister, der allhier
Nach Würdigkeit ausstreichet
Die Händlein, so dies Kindlein mir
Anlachende zureichet?
Der Schnee ist hell, die Milch ist weiß,
Verlieren doch beid ihren Preis,
Wann diese Händlein blicken.

Wo nehm ich Weisheit und Verstand,
Mit Lobe zu erhöhen
Die Äuglein, die so unverwandt
Nach mir gerichtet stehen?
Der volle Mond ist schön und klar,
Schön ist der güldnen Sterne Schar,
Dies‘ Äuglein sind viel schöner.

O daß doch ein so lieber Stern
Soll in der Krippen liegen!
Für edle Kinder großer Herrn
Gehören güldne Wiegen.
Ach, Heu und Stroh ist viel zu schlecht,
Samt, Seide, Purpur wären recht,
Dies Kindlein drauf zu legen.

Nehmt weg das Stroh, nehmt weg das Heu,
Ich will mir Blumen holen,
Daß meines Heilands Lager sei
Auf lieblichen Violen.
Mit Rosen, Nelken, Rosmarin
Aus schönen Gärten will ich ihn
Von obenher bestreuen.

Zur Seiten will ich hier und dar
Viel weißer Lilien stecken,
Die sollen seiner Äuglein Paar
Im Schlafe sanft bedecken.
Doch liebt viel mehr das dürre Gras
Dies Kindelein, als alles das,
Was ich hier nenn und denke.

Du fragest nicht nach Lust der Welt
Noch nach des Leibes Freuden,
Du hast dich bei uns eingestellt,
An unsrer Statt zu leiden,
Suchst meiner Seelen Herrlichkeit,
Durch dein selbsteignes Herzeleid,
Das will ich dir nicht wehren.

Eins aber, hoff ich, wirst du mir,
Mein Heiland, nicht versagen:
Daß ich dich möge für und für
In, bei und an mir tragen.
So laß mich doch dein Kripplein sein;
Komm, komm und lege bei mir ein
Dich und all deine Freuden.

Zwar sollt ich denken, wie gering
Ich dich bewirten werde,
Du bist der Schöpfer aller Ding,
Ich bin nur Staub und Erde.
Doch bist du so ein frommer Gast,
Daß du noch nie verschmähest hast
Den, der dich gerne siehet.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Ich steh an deiner Krippen hier von Paul Gerhardt

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Ich steh an deiner Krippen hier“ von Paul Gerhardt ist ein inniges Weihnachtslied, das die tiefe persönliche Beziehung zwischen dem lyrischen Ich und dem neugeborenen Jesuskind zum Ausdruck bringt. In der ersten Strophe nähert sich das Ich dem Christuskind mit Demut und Hingabe, indem es sein ganzes Wesen – Geist, Sinn, Herz und Seele – als Geschenk darbringt. Dies spiegelt das zentrale Motiv der Selbstaufgabe und der dankbaren Rückgabe dessen wider, was Christus dem Menschen geschenkt hat.

Besonders eindrucksvoll ist die Darstellung Jesu als Sonne, die das Ich aus der Dunkelheit der „tiefsten Todesnacht“ erlöst. Dieses Lichtmotiv zieht sich durch das Gedicht und steht symbolisch für Glaube, Leben und Freude. Immer wieder betont das lyrische Ich seine Bewunderung für Christus: Seine Augen sind schöner als die Sterne, seine Hände überstrahlen Schnee und Milch, sein Mund ist süßer als Wein und Honig. Diese Vergleiche heben die göttliche Schönheit und Einzigartigkeit Jesu hervor.

Ein weiteres zentrales Motiv ist der Kontrast zwischen der göttlichen Würde Christi und seiner bescheidenen Geburt. Während ein königliches Kind in Gold und Purpur gebettet werden müsste, liegt das Jesuskind auf Stroh. Doch das lyrische Ich erkennt, dass Christus freiwillig auf weltliche Pracht verzichtet hat, um die Menschen zu erlösen. Es äußert den Wunsch, ihm dennoch eine würdige Lagerstätte mit Blumen und weißen Lilien zu bereiten, erkennt aber schließlich, dass das Kind gerade die Einfachheit bevorzugt.

Das Gedicht endet mit einer tiefen persönlichen Bitte: Das Ich wünscht sich, dass Christus in seinem Herzen wohnen möge, wie er einst in der Krippe lag. Die letzte Strophe drückt zugleich Demut und Hoffnung aus: Der Mensch ist nur „Staub und Erde“, doch Christus ist ein gnädiger Gast, der sich jedem offenbart, der ihn aufrichtig empfängt. Somit verbindet Gerhardts „Ich steh an deiner Krippen hier“ die Freude über die Geburt Christi mit einer innigen, spirituellen Hingabe und der Hoffnung auf göttliche Nähe.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.