Logo der Website, Schriftzug "Poesie Oase" mit Palmen umrandet.
, , , , , , , , , , , , , , , ,

Adventsgesang

Von

Wie soll ich dich empfangen
Und wie begegn‘ ich dir?
O aller Welt Verlangen,
O meiner Seelen Zier!
O Jesu, Jesu, setze
Mir selbst die Fackel bei,
Damit, was dich ergötze,
Mir kund und wissend sei.

Dein Zion streut dir Palmen
Und grüne Zweige hin,
Und ich will dir in Psalmen
Ermuntern meinen Sinn.
Mein Herze soll dir grünen
In stetem Lob und Preis
Und deinem Namen dienen,
So gut es kann und weiß.

Was hast du unterlassen
Zu meinem Trost und Freud?
Als Leib und Seele saßen
In ihrem größten Leid,
Als mir das Reich genommen,
Da Fried und Freude lacht,
Da bist du, mein Heil, kommen
Und hast mich froh gemacht.

Ich lag in schweren Banden,
Du kommst und machst mich los;
Ich stund in Spott und Schanden,
Du kommst und machst mich groß
Und hebst mich hoch zu Ehren
Und schenkst mir großes Gut,
Das sich nicht läßt verzehren,
Wie irdisch Reichtum tut.

Nichts, nichts hat dich getrieben
Zu mir vom Himmelszelt
Als das geliebte Lieben,
Damit du alle Welt
In ihren tausend Plagen
Und großen Jammerlast,
Die kein Mund kann aussagen,
So fest umfangen hast.

Das schreib dir in dein Herze,
Du hochbetrübtes Heer,
Bei denen Gram und Schmerze
Sich häuft je mehr und mehr.
Seid unverzagt, ihr habet
Die Hilfe vor der Tür;
Der eure Herzen labet
Und tröstet, steht allhier.

Ihr dürft euch nicht bemühen
Noch sorgen Tag und Nacht,
Wie ihr ihn wollet ziehen
Mit eures Armes Macht.
Er kommt, er kommt mit Willen,
Ist voller Lieb und Lust,
All Angst und Not zu stillen,
Die ihm an euch bewußt.

Auch dürft ihr nicht erschrecken
Vor eurer Sündenschuld.
Nein, Jesus will sie decken
Mit seiner Lieb und Huld.
Er kommt, er kommt den Sündern
Zum Trost und wahren Heil,
Schafft, daß bei Gottes Kindern
Verbleib ihr Erb und Teil.

Was fragt ihr nach dem Schreien
Der Feind und ihrer Tück?
Der Herr wird sie zerstreuen
In einem Augenblick.
Er kommt, er kommt, ein König,
Dem wahrlich alle Feind
Auf Erden viel zu wenig
Zum Widerstande seind.

Er kommt zum Weltgerichte,
Zum Fluch dem, der ihm flucht,
Mit Gnad und süßem Lichte
Dem, der ihn liebt und sucht.
Ach komm, ach komm, o Sonne,
Und hol uns allzumal
Zum ewgen Licht und Wonne
In deinen Freudensaal.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Adventsgesang von Paul Gerhardt

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Adventsgesang“ von Paul Gerhardt ist ein inniger Lob- und Erwartungsgesang auf die Ankunft Jesu Christi. Die erste Strophe drückt die ehrfürchtige Frage aus, wie das lyrische Ich dem Erlöser begegnen soll. Christus wird als „aller Welt Verlangen“ und „meiner Seelen Zier“ bezeichnet, was seine zentrale Bedeutung für die Menschheit und den Einzelnen unterstreicht. Die Bitte, dass Jesus selbst das Herz erleuchte, zeigt die Demut und das Bedürfnis nach göttlicher Führung.

In den folgenden Strophen wird Jesu Kommen als Akt der Erlösung beschrieben. Er erscheint nicht nur als König, dem man mit Palmen und Lobgesang huldigt, sondern vor allem als Retter der Bedürftigen und Leidenden. Das lyrische Ich betont, wie Christus es aus Not und Elend befreit hat – von Banden erlöst, aus Schande erhoben und mit einem unvergänglichen Reichtum beschenkt. Besonders hervorgehoben wird, dass Jesus aus reiner Liebe zur Welt gekommen ist, um ihr Leid zu lindern.

Gerhardt richtet sich in einer direkten Anrede an alle Trauernden und Belasteten, um ihnen Mut zu machen: Die Hilfe ist „vor der Tür“, es bedarf keiner eigenen Anstrengung, Christus zu „ziehen“, da er aus eigenem Willen voller Liebe kommt. Die Ankunft Jesu ist nicht nur eine persönliche Rettung, sondern auch eine Befreiung von Schuld und Angst. Seine Gnade überdeckt die Sünden, und kein Feind kann seiner Macht widerstehen.

Das Gedicht schließt mit der Erwartung des Weltgerichts: Für die Gläubigen wird Christus mit Licht und Gnade erscheinen, für seine Feinde jedoch als Fluch. Die letzte Bitte „Ach komm, o Sonne“ richtet sich auf die endgültige Erfüllung der Verheißung – die Aufnahme in das ewige Freudenreich. Gerhardts „Adventsgesang“ verbindet damit die freudige Erwartung der Geburt Christi mit der Hoffnung auf die endgültige Erlösung, die am Ende der Zeiten stehen wird.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.