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Die Dirne

Von

Die Zähne standen unbeteiligt, kühl
Gleich Fischen an den heißen Sommertagen.
Sie hatte sie in sein Gesicht geschlagen
Und trank es – trank – entschlossen dies Gefühl

In sich zu halten, denn sie ward ein wenig
Wie früher Mädchen und erlitt Verführung;
Er aber spürte bloß Berührung,
Den Mund wie einen Muskel, mager, sehnig.

Und sollte glauben an ihr Offenbaren,
Und sah, wie sie dann dastand – spiegelnackt –
Das Falsche, das Frisierte an den Haaren;

Und unwillig auf ihren schlechten Akt
Schlug er das Licht aus, legte sich zu ihr,
Mischend im Blut Entsetzen mit der Gier.

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Gedicht: Die Dirne von Paul Boldt

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Die Dirne“ von Paul Boldt beschreibt eine Szene der sexuellen Begegnung, in der der Sprecher sowohl die physische als auch die emotionale Kälte und Entfremdung zwischen den beiden Personen hervorhebt. Zu Beginn wird die Frau mit einem Bild von „unbeteiligt, kühl“ beschrieben, ihre Zähne „gleich Fischen an den heißen Sommertagen“ – ein Bild von etwas Lebendigem, das jedoch gleichzeitig kalt und unzugänglich wirkt. Diese Kälte wird durch die wiederholte Handlung des Schlags im Gesicht verstärkt, der wie ein mechanischer Akt erscheint, der keinerlei echte Emotion oder Zuneigung widerspiegelt.

Im weiteren Verlauf des Gedichts beschreibt der Sprecher die Frau als jemand, der in einem Zustand der Verführung und des nostalgischen Zurückversinnens verharrt, was durch den Ausdruck „ein wenig wie früher Mädchen“ vermittelt wird. Sie ist in einem Moment der inneren Zerrissenheit, in dem sie das Gefühl von Verführung als etwas schmerzhaftes und gleichzeitig Unvermeidliches erlebt. Der Mann jedoch bleibt distanziert und desinteressiert. Der „Mund wie einen Muskel, mager, sehnig“ verstärkt den Eindruck einer fast mechanischen Berührung ohne wahre Leidenschaft oder Zuneigung. Diese Entfremdung zwischen den beiden wird noch deutlicher durch die körperliche Kälte und das Fehlen jeglicher emotionaler Verbindung.

Die dritte Strophe zeigt, wie der Mann in die Oberflächlichkeit und das Falsche der Frau eindringt, indem er ihre Frisur und ihr Äußeres als „das Falsche, das Frisierte an den Haaren“ erkennt. Sie scheint ein Bild von sich selbst aufrechtzuerhalten, das von der Realität abweicht – ein Akt der Täuschung, der ihre innere Leere widerspiegelt. Die Frau erscheint mehr als eine Maske, als ein Symbol für etwas Künstliches und Unauthentisches, während der Mann in seiner unwilligen Haltung die Bedeutungslosigkeit ihres Aktes anerkennt.

Das Gedicht endet mit einem dramatischen, fast verzweifelten Höhepunkt, als der Mann „das Licht aus[schlug]“ und sich mit der Frau ins Bett legte. Die Mischung aus „Entsetzen“ und „Gier“ im Blut verdeutlicht den inneren Konflikt des Mannes, der einerseits von einer animalischen Begierde getrieben wird, gleichzeitig jedoch das Gefühl der Entfremdung und des Ekels nicht ablegen kann. Dieser Moment, in dem das Verlangen und der Abscheu miteinander verschmelzen, verweist auf eine tiefe, existenzielle Leere und die Unfähigkeit, echte Verbindung in einer Welt von Oberflächlichkeit und Entfremdung zu finden.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.