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Lütt Jan

Von

Jan Boje wünscht sich lange schon
ein Schiff – ach Gott, wie lange schon!
Ein Schiff so groß – ein Schiff – hurra:
von hier bis nach Amerika.

Die höchsten Tannen sind zu klein,
die Masten müßten Türme sein,
die stießen – hei, was ist dabei? –
klingling das Himmelsdach entzwei.

Die Wolken wären Segel gut,
die knallen wild im Wind vor Wut;
Jan Boje hängt am Klüverbaum
und strampelt nackt im Wellenschaum.

Jan baumelt an der Reling, Jan!
und schaukelt, was er schaukeln kann.
Wenn’s an die Planken plitscht und platscht,
der blanke Steert ins Wasser klatscht.

Wie greift er da die Fische flink:
Ein Butt bei jedem Wellenblink!
Die dörrt auf Deck der Sonnenschein,
und Jantje beißt vergnügt hinein.

Jan Boje segelt immerfort,
spuckt über Back- und Steuerbord
und kommt zurück trotz Schabernack,
das ganze Schiff voll Kautabak.

Wer aber ist Jan Boje, he?
Der Teufelsmaat und Held zur See?
Jan Boje ist ein Fischerjung‘,
ein Knirps, ein Kerl, ein frischer Jung‘.

Grad liegt er auf dem Bauch im Sand
und lenkt ein schwimmend Brett am Band,
und ob die Woge kommt und geht,
ob sich sein Brett im Wirbel dreht -:

Sein starrer Blick ins Ferne steht.

Da schwillt’s heran im Sonnengleiß
von tausend Segeln breit und weiß;
da hebt sich manch ein Riesenbug
wie düstrer Spuk und Augentrug…

Das wandert ewig übers Meer.
Wann kommt Jan Bojes Schiff daher?

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Lütt Jan von Otto Ernst

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Lütt Jan“ von Otto Ernst schildert die lebhafte Fantasie eines Jungen namens Jan Boje, der von einem großen Schiff und der Weite des Meeres träumt. Es fängt die unbeschwerte, kindliche Sehnsucht nach Abenteuer ein und stellt Jan als mutigen kleinen Seefahrer dar, der in seiner Vorstellung die Wellen bezwingt und die Weltmeere erobert.

Die Sprache des Gedichts ist verspielt und rhythmisch, was den kindlichen Überschwang und die Begeisterung des Jungen widerspiegelt. Die Bilder sind übertrieben und märchenhaft: Die Masten reichen bis zum Himmel, die Wolken werden zu Segeln, und Jan fängt Fische direkt mit der Hand. Diese Übersteigerung verdeutlicht die grenzenlose Vorstellungskraft des Kindes, das in seiner Traumwelt vollkommen aufgeht.

Doch am Ende des Gedichts schlägt die Stimmung um. Jan liegt im Sand, steuert nur ein kleines Brett, und sein Blick verliert sich in der Ferne. Die gewaltigen Schiffe, die er sieht, sind nur eine Illusion, ein unerreichbares Ziel. Hier schwingt eine leise Melancholie mit: Jan bleibt in seiner Welt ein einfacher Fischerjunge, dessen Sehnsucht nach der großen Fahrt unerfüllt bleibt. Damit thematisiert das Gedicht auf einfühlsame Weise die Kluft zwischen kindlichen Träumen und der Realität.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.