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Simm Gredlin

Von

„Simm Gredlin, Gret, mein Gredelein,
mein zarter bül, herz lieb gemait,
dein züchtlich er an mir nicht weich!“
„Halt wie es get, mein Öselein,
in deiner schül treu stetikait,
die wil ich leren ewikleich.“
„Die wort sol ich behalten mir
und schreiben in meins herzen grund
von deinem röselochten munt.“
„Mein hort, das selb ist wol mein gier,
wann ich wil nicht wencken.
Gedenck, liebs Öselein, an mich,
dein Gredlin sol erfreuen dich.“

„Du kanst mich nicht erfreuen bas,
wann das ich läg an deinem arm,
verslossen als ain kleusener.“
„in deiner pflicht wurd ich nicht lass,
an sainlich träg mach ich dir warm
und ist mir das ain klaine swer.“
„Hab danck, mein trauter aidgesell,
das sol ich dir vergessen klain,
wann du bist wol, die ich da main.“
„An wanck von mir kain ungevell,
herzlieb, nicht enwarte!“
„Danck so hab die zarte.“

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Gedicht: Simm Gredlin von Oswald von Wolkenstein

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Simm Gredlin“ von Oswald von Wolkenstein ist ein mittelalterliches Liebesgedicht, das den Dialog zwischen zwei Liebenden – Simm Gredlin und Gret – darstellt. In ihrer Unterhaltung, die von einer vertrauten, fast verspielt poetischen Sprache geprägt ist, offenbaren sich sowohl die zarten Gefühle der Zuneigung als auch die Anforderungen an die treue und feste Bindung, die sie zueinander haben.

Der erste Teil des Dialogs zwischen Simm Gredlin und Gret ist von einer tiefen Zuneigung geprägt, die in den zarten Ausdrücken „mein zarter bül, herz lieb gemait“ und „mein Gredelein“ zum Ausdruck kommt. Simm Gredlin drückt seine Liebe aus und beteuert seine innige Hingabe. Gret, die in einem eher nüchternen Ton antwortet, erinnert ihn daran, dass es ihre Pflicht ist, „treu stetikait“ zu wahren. Sie fordert ihn damit auf, die Liebe nicht nur in Worten zu zeigen, sondern durch Taten und Beständigkeit.

Im weiteren Verlauf des Gedichts tritt die Wechselwirkung zwischen emotionaler Nähe und den praktischen Aspekten einer Beziehung hervor. Gret verweist darauf, dass sie „in deiner pflicht wurd ich nicht lass“ und dass ihre Verantwortung, sich um ihren Liebsten zu kümmern, für sie ebenso wichtig ist. Diese praktischen, fast alltäglichen Elemente der Liebe sind in dieser Zeit ebenso bedeutend wie die romantischen Bekenntnisse. Der Gedichtverlauf deutet darauf hin, dass wahre Liebe in der Ausführung der eigenen Pflicht und im Erfüllen der gegenseitigen Erwartungen zu finden ist.

Der Dialog endet jedoch mit einem Hinweis auf die Unsicherheit und Vergänglichkeit menschlicher Beziehungen. Gret spricht mit den Worten „Hab danck, mein trauter aidgesell, / das sol ich dir vergessen klain“ und scheint dabei anzudeuten, dass die Beziehung nicht immer in einem idealen Zustand bleiben wird, was auf die vergängliche Natur menschlicher Bindungen hinweist. Diese Erkenntnis stellt das Bild der vollkommenen und unerschütterlichen Liebe infrage, indem sie die Realität der Veränderungen und Herausforderungen in einer Beziehung anerkennt.

Oswald von Wolkenstein spielt hier mit der Balance zwischen Ideal und Realität in der Liebe und bringt zum Ausdruck, dass Treue, Verantwortung und Bindung gleichermaßen Teil der komplexen Dynamik zwischen Liebenden sind. Das Gedicht zeigt nicht nur die idealisierte Zuneigung, sondern auch die praktischen und teils schwierigen Seiten der Liebe, die mit Pflicht, Verantwortung und der Anerkennung der Unvollkommenheit behaftet sind.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.