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Ostern

Von

Wenn die Schokolade keimt,
Wenn nach langem Druck bei Dichterlingen
„Glockenklingen“ sich auf „Lenzesschwingen“
Endlich reimt,
Und der Osterhase hinten auch schon preßt,
Dann kommt bald das Osterfest.

Und wenn wirklich dann mit Glockenklingen
Ostern naht auf Lenzesschwingen, – – –
Dann mit jenen Dichterlingen
Und mit deren jugendlichen Bräuten
Draußen schwelgen mit berauschten Händen – – –
Ach, das denk ich mir entsetzlich,
Außerdem – – unter Umständen –
Ungesetzlich.

Aber morgens auf dem Frühstückstische
Fünf, sechs, sieben flaumweich gelbe, frische
Eier. Und dann ganz hineingekniet!
Ha! Da spürt man, wie die Frühlingswärme
Durch geheime Gänge und Gedärme
In die Zukunft zieht,
Und wie dankbar wir für solchen Segen
Sein müssen.

Ach, ich könnte alle Hennen küssen,
Die so langgezogene Kugeln legen.

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Gedicht: Ostern von Joachim Ringelnatz

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Ostern“ von Joachim Ringelnatz ist eine humorvolle und augenzwinkernde Betrachtung des Osterfestes, die sowohl die äußeren Vorbereitungen als auch die innere Erfahrung des Feiertags beleuchtet. Der Dichter beginnt mit einer spielerischen Beschreibung der typischen Zeichen des Frühlings und der Osterzeit: die Schokolade, die „keimt“, das lange Warten auf Reimworte bei Dichtern und das „Pressen“ des Osterhasen. Diese humorvolle Einleitung dient dazu, eine lockere und unbeschwerte Atmosphäre zu schaffen, die den Leser auf das folgende Spiel mit Erwartungen vorbereitet.

Der zweite Abschnitt nimmt die Idylle auf und wendet sie ins Gegenteil. Das Gedicht entlarvt die mit dem Fest verbundenen sozialen Konventionen, vor allem das ausgelassene Feiern der Dichter und ihrer jungen Bräute. Ringelnatz schildert eine überschwängliche Vorstellung, die er zugleich als „entsetzlich“ und „ungesetzlich“ abtut, um die Übertreibungen des Festes auf humorvolle Weise zu kritisieren. Die Ironie liegt in der Gegenüberstellung der erwarteten festlichen Freude mit dem tatsächlichen Empfinden des Dichters, der sich von dieser Form des Feierns distanziert.

Der Wendepunkt des Gedichts liegt im dritten Abschnitt, der das eigentliche Ostererlebnis in den Vordergrund rückt. Hier geht es nicht um äußere Dekoration oder soziale Konventionen, sondern um die einfache Freude am Genuss von Ostereiern. Ringelnatz beschreibt den Genuss mit einer kindlichen Begeisterung, die die Erwartungen des Lesers überrascht. Die Eier werden zum Symbol für den Frühling, das neue Leben und das Gefühl der Dankbarkeit.

Das Gedicht endet mit einem humorvollen Lobgesang auf die Hennen, die als Produzentinnen der Eier verehrt werden. Der letzte Vers unterstreicht die Wertschätzung für die kleinen Freuden des Lebens und die unkomplizierte Freude am Essen. Ringelnatz gelingt es, mit diesem Gedicht die widersprüchlichen Aspekte des Osterfestes zu beleuchten: die äußere Geschäftigkeit und das soziale Getriebe, die der Freude am Genuss und der Dankbarkeit für die einfachen Dinge des Lebens gegenüberstehen.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.