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Vollmond

Von

Mein Arbeitsraum war Feuer, Glanz von solcher Macht,
Wie wenn ein Geist, erschüttert schaffend, ihn erdacht.

Im Inneren der Flammen schliefen stumm
Viel Schatten, hier aus Ebenholz ein Säulentrumm,
Hier eine Wand, gestürzte Minaretts,
Geläutert aus der Glut des Feuerbetts.

Und da schattete, schien bunter Traum,
Der aus den Schatten aufgestanden war,
Schien Sklave, der mit müdem Farbentand
Behängt, zu Füßen seines Herren stand.

Auch ich stand meinem Herrn zu Füßen diese Nacht.
Mein Herz schlug laut. Fast wäre es vom Tod erwacht.

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Gedicht: Vollmond von Oskar Loerke

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Vollmond“ von Oskar Loerke vermittelt eine dichte, fast traumhafte Atmosphäre, die von intensiven inneren und äußeren Kräften geprägt ist. Zu Beginn wird der „Arbeitsraum“ durch das Bild von „Feuer“ und „Glanz“ beschrieben, die eine gewaltige, schöpferische Macht symbolisieren. Das Feuer ist nicht nur ein physikalisches Phänomen, sondern steht auch für die kreative Energie und die zerstörerische Kraft des Schaffens, die von einem „Geist“ hervorgebracht wird. Der Raum, der durch diese Flammen erleuchtet wird, ist zugleich ein Ort der Transformation und der Vision.

Im zweiten Vers wird das Innere der Flammen als eine Stätte des Verborgenen und Geheimen beschrieben, in der „viel Schatten“ „stumm“ schlafen. Diese Schatten, die aus „Ebenholz“ ein „Säulentrumm“ und eine „Wand“ aus „gestürzten Minaretts“ bilden, sind Symbole für das Unbewusste, das Dunkle und das Zerstörerische. Das „Ebenholz“ und die „Minaretts“ erinnern an das Vergängliche und an vergangene Kulturen, deren Überreste durch das Feuer „geläutert“ werden. Diese Zerstörung scheint jedoch eine notwendige Reinigung oder Erneuerung zu sein, die zu einem neuen, verborgenen Zustand führt.

Die Vorstellung eines bunten Traums, der aus den Schatten „aufgestanden“ ist, stellt eine interessante Wendung dar. Dieser Traum wird als „Sklave“ beschrieben, der müde zu „Fußen seines Herren“ steht. Der Traum, der ursprünglich aus dem Dunkel aufgetaucht ist, scheint sich einer höheren Macht oder einem „Herrn“ zu unterwerfen, was auf den inneren Konflikt des Erzählers und die Notwendigkeit, sich der eigenen Vision oder Schöpfung zu unterwerfen, hindeutet. Diese Szene vermittelt die Vorstellung von Unterordnung und Opfer, die mit dem kreativen Prozess und der Selbstverwirklichung verbunden sind.

Am Ende des Gedichts tritt der Erzähler selbst in diese Szene ein und beschreibt, wie er „zu Füßen“ seines „Herrn“ steht. Sein Herz schlägt laut, als ob es „vom Tod erwacht“ wäre, was auf einen Zustand zwischen Leben und Tod, zwischen Schöpfung und Zerstörung hinweist. Dieser Moment des Übergangs, in dem der Erzähler sich fast wie neu geboren fühlt, verdeutlicht die existenzielle Erfahrung der völligen Hingabe und der Verschmelzung mit einer größeren, kreativen Macht. Das Gedicht endet mit einer tiefen, fast mystischen Reflexion über die menschliche Schöpferkraft und die Dunkelheit, die oft mit der kreativen Energie einhergeht.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.