Märkische Landschaft
Umdämmerte Kiefern stehn kalt und stark.
Schon wachsen auf Wiesen die Nebel der Mark.
Noch lebt es auf dem Eise,
Der Schlittschuh schneidet Kreise.
Der Wald verschummert zum Geisterpark,
Bis oben stieg Raureif und Nebel der Mark.
Nichts schwebt mehr auf dem Eise,
Es starren die Schlittschuhkreise.
Sehr triefen und grauen die Nebel der Mark.
Weit hinten wächst Kiefernholz zum Sarg…
Es schleicht auf grauem Eise
Und schneidet Schicksalskreise.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Märkische Landschaft“ von Oskar Loerke ist eine kurze, eindringliche Naturbeschreibung, die sich allmählich zu einer symbolischen Meditation über Vergänglichkeit, Tod und Schicksal verdichtet. In knappen, ruhigen Versen und mit wiederkehrenden Motiven wie Nebel, Eis und Kreisbewegung entfaltet sich ein stilles, aber zunehmend unheimliches Landschaftsbild, das von tiefer Melancholie durchzogen ist.
Eingebettet in die herbstlich-winterliche Szenerie der märkischen Landschaft – mit ihren charakteristischen Kiefern und Nebelbänken – beschreibt Loerke zunächst eine Übergangsphase: Noch ist Leben auf dem Eis, der „Schlittschuh schneidet Kreise“, doch die Natur beginnt bereits, sich zu verhüllen und zu verlangsamen. Die Kiefern stehen „kalt und stark“, der Nebel steigt, die Dunkelheit breitet sich aus. Die Atmosphäre ist gespannt, als würde sich etwas ankündigen, das über das Sichtbare hinausgeht.
In der zweiten Strophe verschwinden die Zeichen von Leben. Der „Geisterpark“ suggeriert eine Verwandlung des Waldes in einen unheimlichen, fast übersinnlichen Ort. Die Schlittschuhkreise, Sinnbild für Bewegung und Spiel, sind nun starr – sie bleiben als Spuren des Vergangenen zurück. Der Reif hat sich bis in die Baumkronen gezogen, das Leben scheint eingefroren. Es ist, als würde die Landschaft selbst erstarren, in Vorbereitung auf etwas Endgültiges.
Die letzte Strophe steigert die düstere Grundstimmung zur eigentlichen Pointe des Gedichts. Der Nebel „trieft“ nun, wird schwer und bedrohlich. Aus dem Kiefernholz „wächst“ der Sarg – eine direkte, fast beiläufig gesetzte Metapher für das Sterben, das sich aus der Landschaft selbst zu formen scheint. Der Schlittschuhschnitt auf dem Eis wird zum „Schicksalskreis“ – ein unentrinnbares Muster, das nicht mehr dem Spiel, sondern dem Los des Lebens zugeordnet ist.
„Märkische Landschaft“ ist ein stilles, aber starkes Naturgedicht, das mit einfachen Mitteln eine intensive Stimmung erzeugt. Loerke verbindet die äußerlich unspektakuläre märkische Umgebung mit existenziellen Themen: Der Lauf der Natur, das Spurenhinterlassen, die Unausweichlichkeit von Verfall und Tod. Es ist ein Gedicht von fast klassischer Strenge und zugleich tiefer poetischer Suggestion.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.