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Die Schalen der Waage

Von

Ein starker Arm schwang mich hinaus,
Zu schlafen über Wolken.
Dort senkt sich keines Fischers Angel
Von Blumenufern zu den Teichen;
Es ist an süßen Wassern Mangel,
Nur Nebelwogen streichen.
Und auch kein Mohn will da gedeihen
In Einzelstauden und in Reihen. –
Ein schwacher Arm stützt mich nach Haus,
Zu schlafen unter Wolken.

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Gedicht: Die Schalen der Waage von Oskar Loerke

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Die Schalen der Waage“ von Oskar Loerke thematisiert das Spannungsfeld zwischen Höhenflügen der Fantasie und der Realität des Lebens, das den Sprecher immer wieder zurückholt. Zu Beginn beschreibt der Sprecher, wie er „von einem starken Arm hinausgeschwungen“ wird, um „zu schlafen über Wolken“. Dies ist ein Bild für das Streben nach einer idealen, unbeschwerten Existenz oder vielleicht auch für den Wunsch nach Flucht aus der Alltagserfahrung. Die „Wolken“ können als ein Ort der Freiheit und der Ungebundenheit interpretiert werden, der jedoch zugleich auch eine gewisse Abstraktion oder Entfremdung von der realen Welt bedeutet.

In der darauffolgenden Strophe wird das Bild des Wolkenreiches weiter beschrieben, wobei es als ein Ort ohne Leben und Fruchtbarkeit erscheint. „Kein Fischers Angel“ und „kein Mohn will da gedeihen“ deuten darauf hin, dass es in dieser überhöhten Welt an sinnlicher Fülle und wirklicher Erfüllung mangelt. Die „süßen Wasser“ fehlen, und statt lebendiger Natur gibt es nur „Nebelwogen“, die eine trübe und ungreifbare Atmosphäre schaffen. Der Sprecher stellt fest, dass diese ideale Welt, die er anstrebt, leer und unfruchtbar ist. Der „Mohn“, der für Schönheit und Leben steht, gedeiht dort nicht – eine symbolische Darstellung des Fehlens von Sinn und Erfüllung in dieser abgehobenen Sphäre.

Doch die Rückkehr in die Realität erfolgt, als der „schwache Arm“ den Sprecher wieder „nach Haus stützt“. Der Arm, der ihn zurückholt, ist schwächer, was darauf hindeutet, dass der Weg zurück zur Erde, zur Realität, mühsamer und weniger befriedigend ist als der Aufstieg in die Wolken. Dennoch führt der Weg zurück „zu schlafen unter Wolken“, was eine Rückkehr in eine menschliche und natürliche Existenz bedeutet, die zwar nicht ideal, aber dafür mit greifbaren, alltäglichen Erfahrungen verbunden ist. Die Wolken symbolisieren hier nicht mehr den unbeschwerten Flug in eine höhere, unerreichbare Sphäre, sondern ein gemäßigtes Gleichgewicht, in dem der Sprecher Frieden findet, trotz der Mängel und der Einschränkungen des Lebens.

Das Gedicht beschreibt also die Bewegung zwischen den Extremen von Idealismus und Realität. Der „starke Arm“ führt den Sprecher in eine verklärte, flüchtige Welt, die jedoch keine wahre Erfüllung bietet. Der „schwache Arm“ dagegen bringt ihn zurück in eine echte, wenn auch begrenzte und begrenzende Existenz. Loerke zeigt in diesem Gedicht, dass der Mensch sich oft zwischen den Illusionen von Freiheit und den harten Wahrheiten des Lebens bewegt und dass wahre Erfüllung nur in der Balance zwischen diesen beiden Polen zu finden ist.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.