Freundliche Leute, sie locken dich an, und reizende Wälder,
Welch ein entzückend Geländ′ schimmert und duftet vor dir!
Feigen blicken dir zu, und Reben und selige Berge,
Doch ein Sabinischer Raub, Freund, er entzückte dich mehr.
Olevano
Mehr zu diesem Gedicht
Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Olevano“ von Wilhelm Friedrich Waiblinger beschreibt in knappen Versen die widersprüchliche Anziehungskraft einer idyllischen Landschaft im Kontrast zu einer raubartigen, stürmischen Erfahrung. Die ersten beiden Verse zeichnen ein verlockendes Bild der Natur: „Freundliche Leute, sie locken dich an, und reizende Wälder, / Welch ein entzückend Geländ‘ schimmert und duftet vor dir!“. Hier werden die Sinne des Lesers durch die Beschreibung von freundlichen Menschen, reizenden Wäldern und einem entzückenden, duftenden Gelände angesprochen. Waiblinger etabliert sofort eine Atmosphäre der Schönheit und Verlockung.
Die folgenden Verse verlagern den Fokus und bieten einen unerwarteten Wendepunkt. Die Aufzählung von „Feigen“, „Reben“ und „seligen Bergen“ verstärkt zunächst den Eindruck einer paradiesischen Szenerie. Doch die letzte Zeile „Doch ein Sabinischer Raub, Freund, er entzückte dich mehr“ stellt alles in Frage. Der „Sabinische Raub“ ist eine Anspielung auf eine bekannte Episode aus der römischen Mythologie, in der die Römer Frauen der Sabiner entführten, um ihre Bevölkerung zu erweitern. Dieses historische Ereignis, das mit Gewalt und Leidenschaft verbunden ist, kontrastiert stark mit der friedlichen Landschaft, die zuvor beschrieben wurde.
Die Verwendung des Wortes „entzückte“ in beiden Teilen des Gedichts ist von besonderer Bedeutung. Während es im ersten Teil mit der Schönheit der Landschaft assoziiert wird, deutet es im zweiten Teil auf eine dunklere Form der Freude hin, die durch Gewalt und Zwang entsteht. Waiblinger deutet an, dass die Anziehungskraft des Abenteuerlichen, des Unkonventionellen und der Leidenschaftlichkeit möglicherweise stärker ist als die Anziehungskraft der ruhigen Schönheit. Der Dichter stellt die Frage, ob der Mensch sich eher von der Ruhe oder von der Aufregung, der Liebe oder dem Raub begeistern lässt.
Insgesamt ist „Olevano“ ein Gedicht über die Dualität menschlicher Erfahrungen. Es wirft Fragen nach der Natur der Verlockung auf und zeigt die Komplexität der menschlichen Sehnsüchte. Die scheinbar widersprüchliche Verwendung des Wortes „entzückte“ unterstreicht die zentrale Botschaft des Gedichts: Dass selbst in einer idyllischen Umgebung das Verlangen nach etwas Stürmischerem, nach einer Erfahrung, die mit Konventionen bricht, weiterlebt. Die Kürze und Prägnanz des Gedichts verstärken seine Wirkung und laden den Leser ein, über die Natur der menschlichen Leidenschaft nachzudenken.
Weitere Informationen
Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.
Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.
