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Offener Antrag auf der Straße

Von

Ich habe einen Frisiersalon.
Komm mit. Dort wollen wir knutschen.
Ich wollte, ich wäre ein Malzbonbon
Und du, du würdest mich lutschen.

Wir geben dem Lehrbub den Nachmittag frei
Und schreiben „Geschlossen bis sieben“.
Ich habe Rotwein im Laden und drei
Dicke Roßhaarsäcke zum Lieben.

Ich werde dich unentgeltlich frisiern
Und dir die Nägel beschneiden.
Du brauchst dich gar nicht vor mir geniern,
Denn ich mag dicke Fraun leiden.

Ich habe auch Schwarzbrot und Butter und Quark
Und außerdem einen großen – –
Donnerwetter sind deine Muskeln stark!
Du, zeig mal: was hast du für Hosen?

Wenn du dann fortgehst, bedanke dich nicht,
Sondern halt es mit meinem Freund Franke.
Der sagt immer, wenn man vom lieben Gott spricht:
„Wem′s gut geht, der sagt nicht danke.“

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Gedicht: Offener Antrag auf der Straße von Joachim Ringelnatz

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Offener Antrag auf der Straße“ von Joachim Ringelnatz ist ein humorvolles und skurriles Werk, das auf ungewöhnliche Weise die Aufmerksamkeit der angesprochenen Person erregen möchte. Es ist ein Angebot mit einem Hauch von Absurdität, das durch die Kombination von Alltäglichkeiten und unerwarteten Elementen eine besondere Note erhält. Der Dichter nutzt einen Mix aus Romantik und praktischen Vorschlägen, um die potenzielle Geliebte zu umwerben.

Das Gedicht ist in vier Strophen unterteilt, die jeweils unterschiedliche Aspekte des Angebots beleuchten. In der ersten Strophe wird der Frisiersalon des Dichters vorgestellt, verbunden mit dem direkten Wunsch nach Zärtlichkeit. Das Bild eines Malzbonbons, das gelutscht werden möchte, verstärkt den spielerischen Ton und verleiht der Werbung eine kindliche Unschuld. In den folgenden Strophen werden die Angebote konkreter: Freizeit für den Lehrling, Rotwein, Roßhaarsäcke zum Lieben. Es wird Frisuren, Maniküre und ein Festmahl versprochen, wobei das Gedicht immer wieder überraschende Wendungen nimmt.

Die Besonderheit des Gedichts liegt in seinem unkonventionellen Stil und den unerwarteten Angeboten. Ringelnatz bricht bewusst mit konventionellen Liebeserklärungen, indem er Alltagselemente wie den Frisiersalon, Rotwein und Schwarzbrot in sein Werben einbezieht. Der Humor resultiert aus dem Kontrast zwischen der Direktheit der Gefühle und den scheinbar banalen Angeboten. Der Autor nimmt sich selbst und seine Absichten nicht allzu ernst, was das Gedicht zusätzlich sympathisch macht.

Der letzte Vers, der sich auf die Meinung des Freundes Franke bezieht, verleiht dem Gedicht eine philosophische Note. Die Aussage, dass man sich nicht bedanken solle, wenn es einem gut gehe, deutet auf eine tiefe, fast nihilistische Betrachtung des Lebens hin. Diese abschließende Bemerkung, die außerhalb der eigentlichen Angebote steht, lässt den Leser über die Natur der Freude und des Glücks nachdenken. Es ist ein ironischer Kommentar, der die Skurrilität des Gedichts unterstreicht und gleichzeitig eine tiefere Ebene eröffnet.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.