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Oden an seinen Eser (3)

Von

Komm, Freund, Geleiter bin ich und Führer dir,
Komm nach Pompeji. Willig hast du mir stets
Geöffnet manchen Quell der Schönheit,
Manchen Gedanken von höh′rer Weisheit

Enthüllt vor mir; drum ladet der Dankbare
Dich ein zum Weinberg. Hoch an der Ulme rankt
Vieläst′ge fruchtbelad′ne Rebe,
Wurzelnd und blühend aus tausendjähr′ger

Vulkan′scher Asche. Drunten im großen Grab
Schlief eine Stadt, der Götter und Menschen voll,
Als noch die Sonn′ ihr schien; verlassen
Aber von beiden, da sie des heißen

Schreckbaren Regens tödtlich Gewölk bedeckt,
Aus dessen Graus nun wieder der Tempel steigt,
Und heit′re Säulen, und das farb′ge
Kleine Gemach, die gemalte Hausflur,

Und selbst des Forums tempelumragter Platz,
Da längst gestürzt ist früherer Götter Dienst
Und jene, die des Donn′rers Adler
Und Amathusiens Rosen ehrten,

Des Heidenthums holdsinniger Name schmückt
Die Glücklichen! Der kalte Gedanke, wie
Empfindung, Wunsch, und Schmerz und Sehnsucht,
Alles zum heitern Bild verklärte

Sich ihrem frischen schöpfrischen Geist. O Freund,
Komm, sieh und fühl′s hier, offen ist Thür′ und Haus,
Komm, dich umfängt der Säulen Anmuth,
Dich des verschwiegnen Gemaches Schönheit.

Sagt dir′s nicht selbst die bunte gemalte Wand,
Der Arabesken schwärmende Phantasie,
Und all′ der Bilder Lieblichkeit nicht,
Wie sie gefühlt und gedacht, die Vorwelt?

O Freund, was wären wir, wenn Jahrtausende
Zuvor uns dieses Himmels Azur geblüht,
Däucht mir doch, jener bessern Zeit ist
Wenigstens unsere Freundschaft würdig.

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Gedicht: Oden an seinen Eser (3) von Wilhelm Friedrich Waiblinger

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Oden an seinen Eser (3)“ von Wilhelm Friedrich Waiblinger ist eine Einladung an einen Freund, Pompeji zu besuchen und dort die Schönheit der antiken Welt zu erfahren. Es ist ein Gedicht der Freundschaft, des Dankes und der Bewunderung für die Kunst und Kultur der Vergangenheit. Der Dichter fungiert als Führer und Geleiter, der seinen Freund in die versunkene Stadt führt, die aus der Asche des Vulkans auferstanden ist. Die Zeilen atmen eine tiefe Ehrfurcht vor der Kunst und der Lebensweise der Menschen, die einst in Pompeji lebten.

Die ersten Verse etablieren die Beziehung zwischen dem Dichter und seinem Freund, der ihm bereits „manch‘ Quell der Schönheit“ erschlossen hat. Der Dichter lädt ihn nun ein, ihn in den Weinberg von Pompeji zu begleiten. Die Beschreibung des Weinbergs, insbesondere der „fruchtbelad‘ne Rebe“, die aus der vulkanischen Asche wächst, deutet auf die Wiedergeburt und das Überleben der Kultur trotz des Untergangs hin. Die „tausendjähr‘ge / Vulkan’scher Asche“ wird zum fruchtbaren Boden für neues Leben und neue Kunst. Die Antike, die unter den Trümmern begraben lag, erhebt sich nun wieder in all ihrer Schönheit.

Der Hauptteil des Gedichts beschreibt die ergreifende Auferstehung Pompejis: „Aus dessen Graus nun wieder der Tempel steigt.“ Waiblinger beschreibt detailliert die wiederentdeckten Überreste der Stadt, wie Tempel, Säulen, kleine Gemächer und Hausflure. Diese Bilder evozieren die Pracht der Vergangenheit und das Leben der Menschen, die einst in der Stadt lebten. Die „bunte gemalte Wand“ und die „Arabesken“ werden zu Zeugen des künstlerischen Schaffens und des Lebensgefühls der antiken Bewohner. Die Zeilen verdeutlichen die Faszination des Dichters für die Kunst und Kultur der Antike.

Im letzten Abschnitt des Gedichts wird die tiefe Sehnsucht des Dichters nach dem Verständnis der Vergangenheit und nach der Vertrautheit zwischen ihm und seinem Freund ausgedrückt. Die Frage „O Freund, was wären wir, wenn Jahrtausende / Zuvor uns dieses Himmels Azur geblüht“ offenbart die Ehrfurcht vor der Vergangenheit und die Verbundenheit zwischen den beiden Freunden. Die Freundschaft wird als ein Geschenk betrachtet, das der Wertschätzung der Vergangenheit würdig ist. Der Dichter verbindet hier die Bewunderung der Kunst und Architektur der Vergangenheit mit dem Wert der Freundschaft und der gemeinsamen Erfahrung.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.