Logo der Website, Schriftzug "Poesie Oase" mit Palmen umrandet.
, , , , , , , , , , , , , , ,

Oden an seinen Eser (1)

Von

Verschied′nes Lob ist jedem. Mir sei der Kranz,
Der weinlaubduft′ge, den mir die Götterhand
Des holden schöpferischen Jünglings
Drückt in die Schläfe, mir sei Begeist′rung!

Sei′s, daß verblühter Frühlinge Liebeslust
Voll Nachtigallenstimmen, voll Mädchenreiz,
Sei′s, daß der traur′gen Herbste Schwermuth
Wieder ins klagende Herz zurückkehrt:

Sei′s, daß Neapels Inseln der Fabel Duft,
Und der Geschichte lebenerweckende
Gluthvoller Hauch mit Morgenröthen,
Strömen von purpurnem Blut verkläre,

Daß in Sorrents Orangengeruch, am Fels,
Den mir die Fluthen klarer als Aug′ und Herz
Des reinsten Engels wiederstrahlen,
Tasso′s gereinigter Geist mir aufsteigt,

Daß mir des Dreizacks schrecklicher Gott am Strand
Tyrrhen′schen Meers der Säulen gigant′sche Pracht,
Den Tempelbau mir zeigt, der ewig
Wie das unsterbliche Element ist.

Stets fühl′ ich mir das glühende Herz bewegt:
Dem Gold vergleich′ ich seine Gedanken, die
Erst roh und unrein, endlich lauter
Aus der Begeisterung Flamme springen.

Dann nicht der Erde kleinliche Sorgen mehr,
Der Noth unbeugsam drückende Kraft, den Sieg
Nur fühl′ ich, den ich mir erkämpfe,
Fühle den Stolz nur des nahen Lorbeers.

Schon in den Blüthen ehrt man die Frucht. Am Grab
Achills einst stand der junge Eroberer
Und weint′: in Einer Thräne glänzten
Alle Triumphe der künft′gen Hoheit.

Blind treibt der Gott, der innre, beseelende,
So in der Knospe, daß sie zur Rose sich
Entfalte, wie im Menschenherzen,
Daß es zu höherem Wort sich öffne.

Der Berg Vesuv auch, wenn ihn des Feuers Strom,
Dem Weine gleich, der über den Becher schwillt,
Bis an den Kranz füllt, strudelt schäumend
Herrliche Gluth in die schöne Nacht aus.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Oden an seinen Eser (1) von Wilhelm Friedrich Waiblinger

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Oden an seinen Eser (1)“ von Wilhelm Friedrich Waiblinger ist eine Hymne an die Inspiration und die schöpferische Kraft der Begeisterung. Es ist ein leidenschaftliches Bekenntnis zur Kunst und zur Fähigkeit, die Welt durch die Augen des Künstlers zu erfassen und in Worte zu fassen. Waiblinger feiert hier die Kraft der Imagination, die ihn zu immer neuen schöpferischen Höhen treibt.

Das Gedicht ist in einer Abfolge von Bildern und Metaphern aufgebaut, die die vielfältigen Quellen der Inspiration widerspiegeln. Waiblinger beschreibt die Freude an der Natur, die Erinnerungen an die Vergangenheit und die Begegnung mit Kunst und Geschichte. Er verwebt die sinnliche Erfahrung von Orangen und Meeresrauschen mit der intellektuellen Auseinandersetzung mit Dichtern wie Tasso. Diese Bilder dienen dazu, die Intensität der Begeisterung und die Breite des künstlerischen Schaffens darzustellen, die Waiblinger antreiben.

Im Zentrum des Gedichts steht das Gefühl der „Begeist′rung“ selbst. Waiblinger vergleicht seine Gedanken mit Gold, das zunächst roh und unrein ist, aber durch die Flamme der Begeisterung geläutert und zu glänzendem Ausdruck gebracht wird. Er überwindet die alltäglichen Sorgen und konzentriert sich auf den Triumph des künstlerischen Erfolgs. Die Erwähnung von Achilles‘ Grab und die Tränen des Eroberers, die alle zukünftigen Triumphe in sich bergen, unterstreicht die tiefe Verbindung zwischen Leiden, Erfolg und dem Vermächtnis der Kunst.

Waiblinger verwendet Bilder der Natur, wie die Knospe, die sich zur Rose entfaltet, oder der Vesuv, der seine Glut in die Nacht speit, um die innere, treibende Kraft der Inspiration zu veranschaulichen. Dieser „innre, beseelende“ Gott treibt den Dichter zu immer neuen Werken. Das Gedicht betont die Notwendigkeit, sich von den Fesseln der Welt zu befreien und sich dem Fluss der Kreativität hinzugeben, um wahre Kunst zu schaffen.

Abschließend ist das Gedicht eine Ode an die Freude am Schaffen und die transformierende Kraft der Inspiration. Es ist ein Bekenntnis zum Künstlerdasein, eine Feier des Schaffensprozesses und eine Erinnerung an die erhebende Wirkung von Kunst und Schönheit. Es ist ein Manifest für die Freiheit des Geistes und die Fähigkeit, die Welt in ihrer ganzen Pracht zu erfahren und auszudrücken.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.