Die Quelle
Murmle stiller, Quellchen, durch den Hain,
Hold durchflochten von der Sonne Schimmer,
Singe deine süßen Lieder immer
Sanft umdämmert von den Frühlingsmai’n.
Philomele ruft Akkorde drein,
Leiser Liebe zärtliches Gewimmer,
Da wo sich das zarte Ästchen krümmer
Neiget zu der Welle Silberschein.
Käme Molly doch hieher gegangen,
Wo Natur im Hirtenkleide schwebt,
Allgewaltig mir im Busen webt,
Reizvoll würde sie die auch umfangen,
Und vergessen ließ ein einzger Kuß
Uns vergangnen Kummer und Verdruß.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Die Quelle“ von Novalis vermittelt eine tiefe Sehnsucht nach Natur, Harmonie und Liebe. In der ersten Strophe beschreibt der Sprecher eine Quelle, die ruhig und sanft durch den Hain plätschert, umgeben von dem zarten Schimmer der Sonne. Die Quelle wird als ein symbolisches Bild für Reinheit und Ruhe dargestellt, die ihre „süßen Lieder“ in die Welt singt und von den Frühlingserlebnissen umschmeichelt wird. Der „Frühlingsmai’n“ steht für eine Zeit der Erneuerung und des Wachstums, in der die Natur in voller Blüte steht.
In der zweiten Strophe wird das Bild weiter ausgeschmückt: Die Nachtigall (Philomele) fügt sich in die sanfte Melodie der Quelle ein und ruft „Akkorde drein“, die das Gesamtbild der Natur verstärken. Das „zarte Ästchen“, das sich zu dem silbernen Schimmer der Quelle neigt, unterstreicht die zarte, harmonische Verbindung von Leben und Natur. Die Quelle wird so nicht nur als ein gelebtes Naturphänomen dargestellt, sondern als ein Ort, an dem die Elemente der Liebe und Zärtlichkeit miteinander verschmelzen. Es entsteht eine Atmosphäre von friedlicher Verbundenheit, die von der sanften Musik der Natur begleitet wird.
In der dritten Strophe entfaltet sich der Wunsch des Sprechers: Er wünscht sich, dass „Molly“ zu diesem idyllischen Ort kommen möge, wo die Natur „im Hirtenkleide schwebt“. Diese Figur von Molly scheint eine Projektion der idealen Liebe oder eines geliebten Menschen zu sein, der in dieser harmonischen Welt willkommen wäre. Der Sprecher empfindet, dass die Kraft der Natur und die Präsenz von Molly im Einklang mit der Quelle die Liebe in einer reinen und heilsamen Weise manifestieren würden. Der „einzige Kuss“ würde alle vergangenen Sorgen und Kummer vergessen lassen, was die transformative und heilende Kraft der Liebe und der Natur betont.
Insgesamt stellt Novalis in diesem Gedicht die untrennbare Verbindung zwischen Natur, Liebe und Erlösung dar. Die Quelle steht dabei als Metapher für die Reinheit und das sanfte Fließen des Lebens, das sich mit der Liebe vereint und alle dunklen Gedanken vertreibt. Die Quelle wird zu einem Ort der inneren Erneuerung, an dem die Seele Ruhe und Trost finden kann.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.