Logo der Website, Schriftzug "Poesie Oase" mit Palmen umrandet.
, , , , ,

Seemorgen

Von

Der Morgen frisch, die Winde gut,
Die Sonne glüht so helle,
Und brausend geht es durch die Flut;
Wie wandern wir so schnelle!

Die Wogen stürzen sich heran;
Doch wie sie auch sich bäumen,
Dem Schiff sich werfend in die Bahn,
In toller Mühe schäumen:

Das Schiff voll froher Wanderlust
Zieht fort unaufzuhalten,
Und mächtig wird von seiner Brust
Der Wogendrang gespalten;

Gewirkt von goldner Strahlenhand
Aus dem Gesprüh der Wogen,
Kommt ihm zur Seit ein Irisband
Hellflatternd nachgeflogen.

So weit nach Land mein Auge schweift,
Seh ich die Flut sich dehnen,
Die uferlose; mich ergreift
Ein ungeduldig Sehnen.

Daß ich so lang euch meiden muß,
Berg, Wiese, Laub und Blüte! –
Da lächelt seinen Morgengruß
Ein Kind aus der Kajüte.

Wo fremd die Luft, das Himmelslicht,
Im kalten Wogenlärme,
Wie wohl tut Menschenangesicht
Mit seiner stillen Wärme!

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Seemorgen von Nikolaus Lenau

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Seemorgen“ von Nikolaus Lenau beschreibt die erfrischende und gleichzeitig herausfordernde Schönheit des Morgens auf See. Der lyrische Sprecher beschreibt die unbändige Kraft des Schiffs und die wilde Bewegung des Wassers, die durch die starke Morgenwinde und das glühende Sonnenlicht betont werden. In den ersten Strophen wird ein Bild von Bewegung, Energie und Freiheit gezeichnet, wobei die Schilderung der Wellen und des Schiffs die Dynamik der Natur widerspiegelt.

Das Bild des Schiffes, das sich „unaufzuhalten“ durch die Wellen bewegt, symbolisiert den menschlichen Drang nach Entfaltung und Erkundung. Die „frohe Wanderlust“ des Schiffs könnte als Metapher für den unermüdlichen Wunsch nach Freiheit und Unabhängigkeit verstanden werden. Trotz der wilden, „tollen Mühe“ der Wellen bleibt das Schiff standhaft und lässt sich nicht aufhalten, was den Willen und die Entschlossenheit des Menschen widerspiegelt, Hindernisse zu überwinden.

Die Darstellung des Regenbogens, der „hellflatternd nachgeflogen“ kommt, fügt dem Gedicht eine zusätzliche Dimension hinzu. Das Irisband aus den Wellen wird als ein Zeichen der Schönheit und des Segens interpretiert, das dem Schiff zur Seite fliegt. Diese Vision von Farbe und Licht inmitten der wilden See könnte als symbolische Darstellung für Hoffnung oder ein ideales Ziel verstanden werden, das den Reisenden inspiriert, auch wenn er inmitten der Herausforderungen des Lebens navigiert.

Trotz der kraftvollen Darstellung des Schiffs und der See, wird in der letzten Strophe ein Gefühl der Sehnsucht und des Heimwehs deutlich. Das „ungeduldige Sehnen“ nach dem Land und den vertrauten Landschaften zeigt die Zerrissenheit des lyrischen Ichs, das zwischen der Freiheit auf See und dem Drang nach Heimat hin- und hergerissen ist. Die Begegnung mit einem „Kind aus der Kajüte“ bringt eine menschliche Wärme und Nähe in die Szene, die im Kontrast zur kalten, fremden See und dem rauen Leben auf dem Schiff steht. Diese Wärme stellt eine Erleichterung für das „Menschenangesicht“ dar und symbolisiert die Sehnsucht nach Geborgenheit und menschlicher Nähe, die selbst auf einem weiten, ungezähmten Meer nicht verloren geht.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.