Logo der Website, Schriftzug "Poesie Oase" mit Palmen umrandet.
, , , , , ,

Natur, du kannst mich nicht vernichten

Von

Natur, du kannst mich nicht vernichten,
Weil es dich selbst vernichten heißt,
Du kannst auf kein Atom verzichten,
Das einmal mit im Weltall kreist;

Du mußt sie alle wieder wecken,
Die Wesen, die sich, groß und klein,
In deinem dunklen Schoß verstecken
Und träumen, nun nicht mehr zu sein;

Natur, ich will dich nicht beschwören:
Verändre deinen ew′gen Lauf!
Ich weiß, du kannst mich nicht erhören,
Nur wecke mich am letzten auf!

Ich will nicht in die Luft zerfließen,
Ich will, auf langen Schlaf entbrannt,
Gestorben, mich im Stein verschließen,
Im härtesten, im Diamant.

Ob der in einer Krone gaukle,
Ob er bei heller Kerzen Licht
Auf einer Mädchenbrust sich schaukle,
Ich schlafe tief, ich fühl es nicht.

Er wird bei tausend Festestänzen,
Als Mittelpunkt im Strahlenkranz
Vielleicht, wie nie ein andrer, glänzen,
Doch keiner ahnt, woher der Glanz.

Erst, wenn ich mich erwachend dehne,
Sag ich dem Träger still ins Ohr,
Daß einst ein Mensch zerrann zur Träne
Und die zum Edelstein gefror!

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Natur, du kannst mich nicht vernichten von Friedrich Hebbel

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Natur, du kannst mich nicht vernichten“ von Friedrich Hebbel ist eine Auseinandersetzung mit der Vergänglichkeit und dem Wunsch nach Ewigkeit, verknüpft mit einer tiefen Ehrfurcht vor der Natur. Der Dichter wendet sich direkt an die Natur und betont deren Unfähigkeit, ihn endgültig zu vernichten, da dies einer Selbstzerstörung gleichkäme. Die ersten beiden Strophen beschreiben die Natur als eine Kraft, die alles in sich birgt und alles wieder erwecken muss, sogar diejenigen, die sich verstecken oder zu verschwinden scheinen. Die Metapher des „dunklen Schoßes“ deutet auf die Allmacht und den Kreislauf des Lebens und Sterbens hin.

Die folgenden Strophen drücken den Wunsch nach einer besonderen Form der Unsterblichkeit aus. Der Dichter bittet die Natur nicht, ihren Lauf zu ändern, da er weiß, dass dies unmöglich ist. Er möchte am Ende der Zeit, am „letzten Tag“, erweckt werden. Statt der Auflösung in die Luft, also dem völligen Vergehen, wählt er das Bild der Verfestigung in einem Stein, speziell im Diamanten. Diese Entscheidung symbolisiert den Wunsch nach bleibender Form und der Überwindung der Auflösung, die mit dem Tod verbunden ist. Der Diamant wird so zum Ausdruck der Ewigkeit, zur Manifestation des Ichs, das selbst dem Tod widersteht.

Die vierte und fünfte Strophe beschreiben die scheinbare Unberührtheit des Dichters im Diamanten, der sich in verschiedenen Kontexten finden kann, sei es in einer Krone, bei Kerzenlicht oder auf einer Mädchenbrust. Der Diamant scheint in diesen Situationen unbeschwert und frei von der Last des Bewusstseins. Das Ich schläft tief und fühlt die Freuden und das Vergnügen, die mit dem Diamanten verbunden sind, nicht. Diese Distanzierung betont die Abwesenheit des Ichs und die Erwartung des „Erwachens“ in ferner Zukunft.

Die letzten beiden Strophen enthüllen die eigentliche Pointe des Gedichts. Erst wenn der Dichter aus dem Diamanten erwacht, offenbart er dem Träger des Edelsteins, dass er einst ein Mensch war, der zu einer Träne zerrann und dann zu einem Diamanten gefror. Diese Enthüllung verdeutlicht, dass der scheinbar unvergängliche Diamant tatsächlich aus der Vergänglichkeit des Menschen entstanden ist. Sie stellt die Verbindung zwischen Leben, Tod und ewiger Wiedergeburt in einem neuen Kontext dar und betont die Unzerstörbarkeit des Wesens des Menschen, selbst in der physischen Auflösung.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.