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D Zeit

Von

Dia Zeituhr goht so still und gstät,
Du hairscht koi‘ Rädle goura,
Doch aih du dra‘ denkscht, hot se s dreht,
Du merkscht as mit Bidoura,
Daß s Jährle frei verlaura’n ischt
Und du deim End vill näher bischt.

Zwor wenn a’n Aunglück uff der reitt,
Muascht freile Lankweil kriaga;
Doch hoscht halbweags a guati Zeit,
Noch saischt, ma‘ seah sie fliaga,
Und jomarascht, daß so a Ma‘,
Wia du, dia Zeit it binda ka‘.

Du eilscht und schaffscht, und wenns der will,
Wead ghousat, vill verworba,
Uff oi‘ mol stoht do s Rädle still
Und s hoißt: „der Ding ischt gstorba“,
Dei‘ Housa, Bruadar, hot a’n End,
Dei‘ Zuig, des kommt in andre Händ.

Ma‘ lobt und schilt a Weile noh –
S wead gmoingli redli gmeassa -,
Noch kommt no diar der So und So,
Und du – bischt rei‘ vergeassa.
A Fremder lait dein Kittel a‘,
Schreibt uff dei‘ Tür sein Nama na‘.

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Gedicht: D Zeit von Michel Buck

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „D Zeit“ von Michel Buck, in schwäbischer Mundart verfasst, thematisiert in eindringlicher und zugleich volksnaher Sprache die Vergänglichkeit des Lebens und die Unaufhaltsamkeit der Zeit. Trotz seiner Einfachheit entfaltet der Text eine tiefgründige Reflexion über das menschliche Dasein, die Endlichkeit und die Spuren, die man hinterlässt – oder eben nicht.

Zu Beginn wird die Zeit als leise, aber stetig beschrieben: Die „Zeituhr“ tickt unhörbar, aber unaufhaltsam. Auch wenn der Mensch sich ihrer nicht ständig bewusst ist, zeigt sich ihr Fortschreiten unweigerlich im Spiegel („Bidoura“) und im Vergehen der Jahre. Die Stille der Zeit wird kontrastiert mit ihrer Wirkung – sie schreitet unmerklich, aber sicher voran und bringt uns dem Tod näher.

Das Gedicht spielt auch mit der subjektiven Wahrnehmung von Zeit: In Momenten des Unglücks zieht sie sich, in besseren Zeiten fliegt sie dahin. Der Mensch, so wird es dargestellt, ist ihr letztlich ausgeliefert – keine Arbeit, kein Erfolg kann sie aufhalten. Selbst wer geschäftig durchs Leben eilt, merkt plötzlich, dass „s Rädle still stoht“ – der Tod tritt ein ohne Vorwarnung. Mit wenigen, drastischen Bildern erinnert Buck daran, wie abrupt alles zu Ende sein kann.

Im letzten Abschnitt wird besonders deutlich, wie vergänglich der menschliche Ruhm ist: Nach kurzem Gerede, Lob oder Kritik wird man bald vergessen. Ein anderer übernimmt das Haus, den Platz, den Namen – das eigene Leben wird ausgelöscht aus dem Alltagsgedächtnis. Die Nüchternheit dieser Aussage steht in Kontrast zur allgemeinen Hoffnung auf bleibende Spuren.

Michel Bucks Gedicht ist eine mundartlich geprägte Memento-mori-Dichtung, die auf eindrucksvolle Weise an die Endlichkeit des Lebens erinnert. Durch die vertraute Sprache wirkt sie besonders unmittelbar und lebensnah. Ohne Pathos, aber mit poetischer Kraft wird der Leser mit der Frage konfrontiert, was bleibt – wenn die Zeit ihr Werk getan hat.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.