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Mexiko

Von

Auf Tempeln Mexikos glüht im Versinken
Die Sonne noch, was zaudert sie so lange?
Sie lauscht der Priester blutigem Gesange,
Zum Opferfest beim Schall der hellen Zinken.

Auf die Gefangnen scheint sie. Federn winken
Von ihrem Haupt, man hat mit goldner Spange,
Mit Blumen sie geschmückt zum letzten Gange;
Jetzt nahn sie, wo die Todesmesser blinken.

Wild jauchzt das Volk; des Opferaltars Kerzen
Glühn höher auf, man hält die blut′gen Herzen
Der Sonne hin, was zaudert sie noch immer?

Des Cortez Schiffe sieht sie längs der Hügel
Tabasco′s nah′n, der Waffen heller Schimmer
Blitzt durch der Segel weiße Racheflügel.

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Gedicht: Mexiko von Hermann Lingg

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Mexiko“ von Hermann Lingg zeichnet in eindringlichen Bildern das Szenario eines blutigen Opferfestes im präkolumbischen Mexiko, kurz bevor die spanischen Eroberer unter Hernán Cortés das Land erreichen. Es ist ein Moment des Übergangs, der das Zögern der Sonne, die Ankunft der Spanier und die grausame Tradition der Menschenopfer miteinander verwebt. Der Autor nutzt dabei eine bildreiche Sprache, um die Atmosphäre von Gewalt, religiösem Fanatismus und bevorstehendem Untergang zu evozieren.

Die ersten sechs Verse beschreiben das Opferritual. Die Sonne, die über den Tempeln untergeht, scheint Zeuge des Geschehens zu sein und wird als lauschend dargestellt, was dem Ereignis eine besondere Dringlichkeit verleiht. Die „Priester blutigem Gesange“ und der „Schall der hellen Zinken“ deuten auf die religiöse Zeremonie hin, die von der Sonne beobachtet wird. Die Beschreibungen der Gefangenen, die mit Federn und goldenen Spangen geschmückt werden, erzeugen ein Gefühl von Vorbereitung auf den Tod. Die poetische Sprache vermittelt die grausamen Praktiken der Opferung und lässt den Leser die Anspannung und das bevorstehende Grauen spüren. Die zentrale Frage des Gedichts, „was zaudert sie so lange?“, deutet auf ein Moment des Innehaltens und auf eine Frage, ob die Sonne eingreifen wird oder nicht.

Die zweite Hälfte des Gedichts führt die Ankunft der spanischen Eroberer ein. Das Volk jauchzt, die „Opferaltars Kerzen“ flackern, und die blutigen Herzen werden der Sonne dargebracht, während die Sonne immer noch zaudert. Diese Bilder erzeugen einen Kontrast zwischen der religiösen Ekstase und der bevorstehenden Katastrophe, die durch die Ankunft der Schiffe von Cortés angekündigt wird. Die Metapher der „weißen Racheflügel“ der Segel ist besonders eindrucksvoll und symbolisiert die Zerstörung und den Untergang der indigenen Kultur, die durch die spanische Eroberung ausgelöst wird.

Das Gedicht ist somit eine Momentaufnahme, die die grausame religiöse Praxis der Azteken und die Ankunft der Spanier in einer einzigen Szene vereint. Lingg thematisiert das Aufeinandertreffen zweier Welten, wobei die gewalttätige Ritualpraktik den unausweichlichen Untergang der indigenen Kultur unterstreicht. Das Zögern der Sonne könnte als Zeichen des Unbehagens über die Ereignisse und als Vorahnung der bevorstehenden Katastrophe interpretiert werden. Die detailreichen Beschreibungen und die eindringlichen Bilder machen dieses Gedicht zu einem düsteren und eindringlichen Zeugnis des historischen Wandels und der menschlichen Grausamkeit.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.