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Mein Aufenthalt im Rheingau

Von

Ich weiß ein Enna in des Rheingau’s Auen,
Da ist’s so traulich, daß ich da mit dir
Die Herrlichkeit des Höchsten möchte schauen,
Bis uns einst müd und lebenssatt, von hier
Nach seligen und froh durchlebten Tagen,
Die Engel in die beß’re Heimath tragen.

Hier steht ein Häuschen, das der große Meister,
So scheint es mir, für Liebende erbaut;
Des Friedens und der Eintracht sanfte Geister
Bewohnen es, so lieblich ist’s, so traut.
O komm, o komm! flieh aus dem Weltgetümmel,
Und finde hier des Lebens schönern Himmel.

Von süßer Reben heitergrünen Zweigen,
Sind dieses Häuschens Fenster schön umrankt;
Dort blüht der Epheu, der mit sanftem Neigen
Hin an des Gärtchens nied’rer Mauer wankt;
Das in dem kleinen Raum die Aster ziehet,
Wo Ros‘ und Nelk‘ in bunter Mischung blühet?

Wenn sich die Berg‘ im Abendlichte röthen,
Dann hörst du in dem kleinen Fliederbaum,
Die Nachtigallen Liebeslieder flöten;
Und um des Dachesgiebel engem Raum
Da schwebt die Schwalb‘ in immer engern Kreisen,
Bemüht der Jungen zarte Schaar zu speisen.

Die Stübchen sind so heimlich; aus den Fenstern
Da schaut man nach dem öden Burgplatz hin,
Und sieh, Erinnerungen gleich Gespenstern,
Fühl‘ ich an meiner Seel vorüber zieh’n.
Da senkt mein Geist sich in der Vorzeit Schauer,
In ihre Lust, in ihre stille Trauer.

In jener Burg, wo einst der Ritter schmaußte,
Der Pilger gastlich treue Pflege fand,
Wo Diether einst, wo Nassau’s Adolph haußte,
Den Blick zum Mainzer Fürstenthron gewandt,
Da waltet itzt zu der Verbrecher Plage,
Die Nemesis, mit Binde, Schwert und Waage.

Nun öffne dieses Stübchens Fensterflügel,
Dort wogt der Rhein in stiller Majestät!
Sieh dort auf jenem fernen Felsenhügel
Die Waldkapelle, wo der Wand’rer fleht.
O da ist’s schön, o möchte da das Leben
An deiner Seit‘, mein Freund, mir einst entschweben.

Soll mich die Langeweile nimmer quälen,
So müßte hier schnell ein Klavier noch hin,
Und eine Laute noch – und sieh es fehlen
Die besten Dichter hier, – denn, wo ich bin,
Da müssen auch die Musen freundlich wohnen,
Ihr Lächeln soll des Lebens Mühen lohnen.

Nur du und ich in diesem Friedenstempel,
O Seligkeit! o unermeßne Lust!
Mir würde dann der Gottheit schöner Stempel,
Die ew’ge Freud‘ in der entzückten Brust.
Fern von der Welt, und von den Menschen ferne,
Erblühten uns der Liebe schönste Sterne.

Und nach der Hausfrau treu erfüllten Pflichten,
Würd ich mit dir, mein hochgeliebter Freund,
Die leichte Gartenarbeit gern verrichten;
Dann wallten wir, in treuer Lieb‘ vereint,
Des Rheines Ufer scherzend auf und nieder,
Und hörten gern der Nachtigallen Lieder.

So leerten wir des Glückes süße Schaale,
Bis mir der bleiche Genius erscheint,
Und Carl auf Tinas kleinem Todenmale,
Die schmerzlichste der Schmerzenthränen weint.
Bis ihn die Sehnsucht nach dem Lande ziehet,
Wo ewig schön die Palm‘ des Friedens blühet.

Ich mahlte dir, o könnten wir’s erreichen,
Der stillen Wünsche hehres Ideal!
Dann würde jede Wolke mir entweichen,
Es schien mir ewig reiner Sonnenstrahl.
Dann schwände unter sanftem Wonneleben,
Im süßen Rausch das kurze Erdenleben.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Mein Aufenthalt im Rheingau von Kathinka Zitz

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Mein Aufenthalt im Rheingau“ von Kathinka Zitz ist eine romantische Liebeserklärung, die die Sehnsucht nach einem idyllischen und friedvollen Leben mit dem geliebten Partner in den Vordergrund stellt. Das Gedicht entwirft eine traumhafte Vision eines Rückzugs in die Natur des Rheingaus, wo die Liebenden der Hektik der Welt entfliehen und ein beschauliches Leben in Harmonie und Schönheit führen können. Die Autorin verwendet eine Vielzahl von Bildern und Symbolen, um diese Sehnsucht nach dem Ideal zu visualisieren.

Das Gedicht beginnt mit der Beschreibung der malerischen Umgebung des Rheingaus, die durch die Anspielung auf „Herrlichkeit des Höchsten“ einen sakralen Anstrich bekommt. Die detaillierten Beschreibungen der Natur – blühende Gärten, singende Nachtigallen, der Rhein – unterstreichen die Schönheit und Ruhe, die diesen Ort auszeichnen. Das „Häuschen“ wird als Ort des Friedens und der Eintracht idealisiert, ein Refugium für Liebende, fernab vom „Weltgetümmel“. Die Dichterin verknüpft die Naturbetrachtung mit der Vorstellung von einer idealen Zweisamkeit, in der die gemeinsame Beobachtung der Natur und die gegenseitige Zuneigung im Zentrum stehen.

Im weiteren Verlauf des Gedichts werden historische Aspekte des Rheingaus aufgegriffen, die durch die Erwähnung von Burgen und historischen Persönlichkeiten (z.B. Ritter, Diether, Adolf von Nassau) eine zusätzliche Tiefe erhalten. Die Autorin verbindet die Vergangenheit mit der Gegenwart, indem sie das Bild der Nemesis in der Burg heraufbeschwört, welche die Ungerechtigkeit und Vergänglichkeit der Welt symbolisiert. Der Rückblick in die Vergangenheit kontrastiert mit der Sehnsucht nach der unbeschwerten Idylle des Liebesidylls, welche durch die wiederholte Beschwörung der gemeinsamen Erlebnisse und des friedlichen Lebens hervorgerufen wird.

Der Wunsch nach Musik, die Anwesenheit der Musen und die gemeinsame Gartenarbeit unterstreichen das Ideal eines erfüllten und harmonischen Lebens. Der Gedichtzyklus gipfelt in dem Wunsch nach „ew’ge Freud‘ in der entzückten Brust“ fernab der Welt. Die abschließende Strophe deutet eine mögliche Tragik an, in der die Autorin die Vergänglichkeit des irdischen Glücks reflektiert. Die Erwähnung des „bleichen Genius“ und des „kleinen Todenmales“ von Carl mahnen an die Unvermeidlichkeit von Verlust und Tod. Trotz dieser dunklen Andeutungen überwiegt jedoch die Sehnsucht nach einem erfüllten Leben in der Liebe, welches als das höchste Ideal dargestellt wird.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Gedicht eine romantische Vision von Liebe, Glück und Naturverbundenheit darstellt. Es beschreibt einen Sehnsuchtsort im Rheingau, der als Bühne für eine ideale Zweisamkeit dient, in der die Liebenden der Welt entfliehen und ein erfülltes Leben in Harmonie und Schönheit führen können. Die Autorin kombiniert detaillierte Naturbeschreibungen mit historischen Bezügen und poetischen Bildern, um eine Atmosphäre der Geborgenheit und der Sehnsucht nach dem ewigen Glück zu erzeugen. Die unterschwellige Melancholie, die in der letzten Strophe anklingt, verleiht dem Gedicht eine zusätzliche Tiefe und verdeutlicht die Fragilität des menschlichen Glücks.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.