Wie die selig sele spricht
Stand uf min vil lieber,
Und erhole dich aller diner pine,
Aller diner wetagen, aller diner smacheit,
Aller diner trurekeit, alles dines ellendes,
Aller diner serekeit, aller diner arbeit.
Der morgensterne ist vfgegân
Dc ist Sante Marien geburt und ir leben.
Die sonne hat iren schin getan,
Dc ist dc got mensche wart,
Sin werk und sin himelvart.
Der mân sol jemer stet stan;
Dc ist, das wir denne jemer stet soellen wesen
In dem ewigen lebenne.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Wie die selig sele spricht“ von Mechthild von Magdeburg ist ein Ausdruck von religiöser Erhebung und spiritueller Ermutigung. Die „selig sele“ spricht in einer Form, die dem Leser oder Hörer Trost und Heilung verspricht. Zu Beginn des Gedichts ruft die „selig sele“ den „liebsten“ auf, sich zu erheben und sich von allen „Pinen“ und „Smacheit“ (Schmerzen und Leiden) zu befreien. Diese Aufforderung bedeutet nicht nur eine körperliche Erhebung, sondern eine innere Transformation, bei der der Mensch von den Lasten des Lebens befreit wird. Sie spricht von der Heilung aller Leiden und der Überwindung von Sorgen und Kummer, was auf einen Zustand des inneren Friedens und der spirituellen Vollkommenheit hinweist.
Die Erwähnung des „Morgensternes“ und der „Sante Marien geburt“ verweist auf das christliche Symbol der Geburt und des Lichts. Der Morgenstern steht symbolisch für die Ankunft des Lichts, das die Dunkelheit vertreibt, ähnlich wie die Geburt der Maria eine Quelle der göttlichen Gnade und Erleuchtung für die Welt darstellt. In der christlichen Tradition wird der Morgenstern oft mit der Ankunft Jesu in Verbindung gebracht, der als Licht der Welt gesehen wird. Das Gedicht betont, dass dies der Moment ist, an dem „Gott Mensch ward“, was die menschliche Erlösung und den göttlichen Plan der Inkarnation beschreibt. Es wird betont, dass das göttliche Werk und die Himmelfahrt Jesu den Beginn eines neuen Lebenszyklus für die Menschheit symbolisieren.
Die Sonne, die ihren „Schin“ (Glanz) entfaltet, ist ein weiteres Symbol für das Licht, das die Dunkelheit vertreibt und den göttlichen Plan für die Menschheit verkündet. Der „Mân“ (Mensch) soll „jemer stet stan“, also immer aufrecht bleiben, was als eine Aufforderung zu standhafter, unerschütterlicher Hingabe an Gott und seinen Plan verstanden werden kann. Diese Aufforderung, beständig im Glauben zu bleiben, verweist auf die Kontinuität und die ewige Beständigkeit des göttlichen Lebens, das über das Irdische hinausgeht.
Das Gedicht endet mit der Vorstellung des „ewigen Leben“, das für den Gläubigen ein Ziel ist, das er durch Treue und Hingabe an Gott erreichen kann. Der Mensch soll im ewigen Leben in einer fortwährenden Verbindung mit Gott stehen und dort einen Zustand der Vollkommenheit und des Friedens erreichen. Mechthild von Magdeburg gibt mit diesem Gedicht einen religiösen Leitfaden, der den Gläubigen zur inneren Erhebung und zur Verwirklichung des göttlichen Plans im Leben und im Jenseits anleitet. Es zeigt die Vorstellung eines Himmels, der nicht nur als Ziel, sondern als unaufhörlicher Zustand der göttlichen Erfüllung verstanden wird.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.