Eine Zeichnung
Er wollte deine Reinheit malen
Und ließ in geisterhaft und leis
Gehauchten Nebeln einen schmalen,
Dem Zweige leichten Vogel weiß –
Kein Umriss – nur ein weißer Schatte.
Ein Umriss wäre viel zu hart.
So wurdest du auf seinem Blatte,
Du Ungreifbare! Gegenwart.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Eine Zeichnung“ von Max Kommerell beschreibt die zarte und beinahe flüchtige Darstellung eines besonderen Wesens, das in seiner Reinheit und Unbegreiflichkeit nur durch die feine Kunst eines Malers eingefangen werden kann. Der Maler versucht, die „Reinheit“ der dargestellten Figur zu erfassen, indem er sie in „geisterhaft und leis gehauchten Nebeln“ darstellt. Diese Wahl des Mediums – der Nebel – vermittelt eine Stimmung der Unbestimmtheit und Flüchtigkeit, als ob das Abgebildete kaum greifbar ist, fast schon ein Traum oder eine Illusion.
Der „schmale, dem Zweige leichten Vogel weiß“ ist ein weiteres Symbol für Zerbrechlichkeit und Fließfähigkeit, was die Unfähigkeit des Malers betont, etwas so Zartes und Flüchtiges vollständig zu fassen. Die Wahl, keinen klaren Umriss zu setzen, sondern nur einen „weißen Schatte“ zu zeichnen, verstärkt das Bild der Unberührbarkeit und die Idee, dass das Dargestellte nicht vollständig erfasst oder begriffen werden kann. Ein Umriss „wäre viel zu hart“ – er würde der feinen, ungreifbaren Natur des Objekts widersprechen.
In der letzten Zeile wird die Darstellung des Wesens als „Gegenwart“ beschrieben, was die Idee der Fluktuation und des flimmernden Moments unterstreicht. Es ist eine „Ungreifbare Gegenwart“, die zwar sichtbar ist, aber nicht vollständig erfasst oder festgehalten werden kann. Kommerell schafft in diesem Gedicht das Bild eines künstlerischen Versuchs, etwas Unsichtbares oder schwer Fassbares in seiner reinsten Form darzustellen. Es geht nicht um die präzise Abbildung eines Körpers oder einer Form, sondern um die Eindrücke und die Atmosphäre, die dieses Wesen in seiner Gegenwart und in seiner flüchtigen Erscheinung hinterlässt. Die Zeichnung wird zu einem Symbol für das Unaussprechliche und das von Worten oder Bildern nicht ganz Erfassbare.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.