Gewissheit
Sei geduldig! Nimm gelassen,
Wie der Tage Kette gleitet:
Anfang, der nicht zu erfassen,
Ende nicht. Und die sich breitet,
Mitte, ziellos, offner, enger,
Laß sie zögern, laß sie schweifen:
Unerbittlich wird ein strenger
Kreis zuletzt Dich einbegreifen.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Gewissheit“ von Maria Luise Weissmann ist eine nachdenkliche Reflexion über das Leben und die unvermeidliche Ordnung der Zeit. Der Sprecher fordert den Leser zu Geduld und Gelassenheit auf, während er die „Kette der Tage“ beschreibt, die unaufhaltsam verläuft. Der „Anfang, der nicht zu erfassen“ und das „Ende nicht“ symbolisieren den geheimnisvollen, unerreichbaren Ursprung und das unsichere Ziel des Lebens. Diese Formulierung unterstreicht die Unmöglichkeit, den gesamten Verlauf des Lebens zu begreifen oder zu kontrollieren, was eine Existenz im Ungewissen und in stetem Wandel widerspiegelt.
In der zweiten Strophe wird das „Mitte“ des Lebens als „ziellos, offener, enger“ beschrieben, was auf die Unbeständigkeit und das Fehlen eines klaren Ziels in der Mitte des Lebens hindeutet. Es gibt Momente, in denen das Leben weite Möglichkeiten bietet, aber auch enge, unbestimmte Phasen, die mit Unsicherheit und Zögern verbunden sind. Der Satz „Laß sie zögern, laß sie schweifen“ fordert den Leser auf, diese Phasen der Unklarheit zu akzeptieren, anstatt sich dagegen zu sträuben. Es geht darum, den Fluss des Lebens in all seiner Unbeständigkeit zu akzeptieren und Geduld zu üben.
Der letzte Teil des Gedichts bringt eine endgültige, unvermeidliche Wahrheit ins Spiel: „Unerbittlich wird ein strenger Kreis zuletzt Dich einbegreifen.“ Diese Zeile könnte den Tod oder den Abschluss eines Lebenszyklus symbolisieren, wobei der „strenge Kreis“ als ein Bild für die Unausweichlichkeit des Endes dient. Die Vorstellung des Kreises als ein ständiges, geschlossenes Bewegungssystem betont den Gedanken, dass das Leben in einem Zyklus verläuft, der uns letztlich einholt. Diese abschließende Wendung wirkt wie eine Mahnung, dass trotz aller Ungewissheit und Unsicherheit der Lebensweg irgendwann zu einem Abschluss kommen wird.
Insgesamt vermittelt das Gedicht eine tiefgründige Philosophie über das Leben, die Geduld und das Akzeptieren der eigenen Begrenztheit betont. Die unaufhaltsame Kette der Tage wird als etwas dargestellt, das nicht zu kontrollieren oder zu durchschauen ist. Der Leser wird dazu angehalten, inmitten der Unklarheit Ruhe zu bewahren und die Gewissheit zu finden, dass alles zu einem natürlichen Ende führen wird – ein Gedankenprozess, der sowohl tröstlich als auch nachdenklich stimmend ist.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.